Blutbad in Sanaa Jemen im Schockzustand
19.09.2011, 11:16 Uhr
Hunderte Jemeniten sind durch die Schüsse der Sicherheitskräfte verletzt worden.
(Foto: dpa)
Der Jemen versinkt immer tiefer im Chaos. Es herrscht praktisch Ausnahmezustand, nachdem Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Sanaa 26 Demonstranten erschossen hatten. Zahlreiche Straßen sind abgesperrt; viele Menschen gehen aus Angst nicht zur Arbeit. Die Hilfsorganisation Oxfam warnt wegen der instabilen Lage vor einer Hungerkatastrophe.
"Die Lage ist sehr angespannt", beschreibt ein Bewohner der jemenitischen Hauptstadt Sanaa die gegenwärtige Lage. Sicherheitskräfte hatten am Sonntagabend ein Blutbad unter Demonstranten angerichtet. Mindestens 26 Menschen seien in dem Kugelhagel ums Leben gekommen, hunderte weitere verletzt worden, berichtete eine Sprecherin der Protestbewegung. Die Zeltstadt der Saleh-Gegner auf dem "Platz des Wandels" sei in der Nacht vergrößert worden.
In Sanaa hatten Zehntausende gegen Präsidenten Ali Abdullah Saleh demonstriert und seinen Rücktritt gefordert. Augenzeugen berichteten von Scharfschützen auf den Dächern, die gezielt auf die Demonstranten geschossen hätten. Es war der massivste Angriff auf die Protestbewegung seit Monaten.
Die Sicherheitskräfte, die loyal zu Saleh stehen, sperrten zahlreiche Straßen. Augenzeugen berichteten, die meisten Menschen seien deshalb nicht zur Arbeit gegangen. Erneut wurde auf Demonstranten geschossen. Nach ersten Informationen starben drei Menschen, zahlreiche sind verletzt.
Die Saleh-Loyalisten behaupteten, die Sicherheitskräfte hätten in die Menge geschossen, weil Demonstranten versucht hätten, ein Elektrizitätswerk anzugreifen. Dies wurde von der Protestbewegung bestritten. Der Sprecher einer Gruppe von Soldaten, die sich den Saleh-Gegnern angeschlossen hatten, forderte in einer Rede, die von einigen TV-Sendern übertragen wurde, die Minister auf, sich ebenfalls auf die Seite der Protestbewegung zu stellen.
Saleh in Saudi-Arabien

Es war der massivste Einsatz seit Monaten gegen die Regierungsgegner.
(Foto: dpa)
Der seit 1978 regierende Staatschef lässt sich seit einem Bombenanschlag im Juni, bei dem er schwer verletzt wurde, in Saudi-Arabien behandeln. Seit Mai weigert sich der 69-Jährige beharrlich, einen Kompromiss-Plan der Golfstaaten für eine geordnete Übergabe der Macht zu akzeptieren. Die Protestbewegung, die ihre Demonstrationen im Februar begonnen hatte, fordert kategorisch seinen Rücktritt. Außerdem will sie Saleh, der seit mehr als drei Jahrzehnten an der Macht ist, und mehrere hochrangige Funktionäre vor Gericht stellen.
Die Gegner des Präsidenten bilden keine einheitliche Front. Zu ihnen gehören linke Parteien, parteilose Jugendliche, schiitische Rebellen, sunnitische Extremisten und Menschenrechtler. Ein von der Protestbewegung gegründeter Nationalrat wird von einigen dieser Gruppen nicht anerkannt.
Oxfam: Politische Krise lähmt die Wirtschaft
Die Hilfsorganisation Oxfam hat vor einer Hungerkatastrophe im Jemen gewarnt. Durch die politische Krise in dem Land sei die Wirtschaft gelähmt und die Lebenshaltungskosten seien rasant gestiegen, erklärte Oxfam. Immer mehr Menschen litten dadurch unter Hunger und Mangelernährung. Frauen und Kinder seien dabei die ersten Opfer wirtschaftlicher Not, von der laut der Organisation ein Drittel der Bevölkerung im Jemen betroffen ist. Bei der Hälfte der Kinder wirke sich der Nahrungsmittelmangel bereits auf das Wachstum aus; und ein Viertel der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren leide unter schwerer Unterernährung.
Oxfam forderte dringend eine stärkere internationale Hilfe für das ärmste arabische Land, um die Notlage der Bevölkerung zu lindern. Diese hat der Organisation zufolge auch zu einem Wiederanstieg der Heiraten sehr junger Mädchen geführt, weil ihre Familien sie nicht mehr versorgen könnten, erklärte Oxfam weiter. Viele Kinder würden auch von der Schule genommen, damit sie sich eine Arbeit suchten, um die Familien zu unterstützen.
Quelle: ntv.de, dpa/rts