Tote bei Abstimmung über Präsidenten Jemeniten wählen trotz Gewalt
21.02.2012, 20:26 Uhr
Nobelpreisträgerin Karman nach der Stimmabgabe.
(Foto: dpa)
Mindestens zehn Tote sind die Bilanz der Präsidentenwahl im Jemen. Al-Kaida, Separatisten und Schiiten behindern den Urnengang. Für die Nachfolge des gestürzten Saleh gibt es nur einen Kandidaten: Der bisherige Vizepräsident Hadi soll das Land zwei Jahre führen.
Überschattet von Gewalt im Süden und einem Boykott schiitischer Rebellen im Norden hat die Bevölkerung im Jemen einen neuen Präsidenten gewählt. Zur Wahl stand nur ein Kandidat, Abd Rabbo Mansur Hadi, der bisherige Stellvertreter des von Protesten aus dem Amt gezwungenen langjährigen Staatschefs Ali Abdallah Saleh. Dieser hatte sich im Januar in die USA abgesetzt. Rebellen im ehemaligen Süd-Jemen griffen mehrere Wahllokale an, mindestens zehn Menschen starben. Etwa 40 Menschen sollen verletzt worden sein.
Ungeachtet eines massiven Sicherheitsgebots griffen bewaffnete Aufständische in Aden, der ehemaligen Hauptstadt des bis 1990 unabhängigen Südens, mehrere Wahllokale an, andere Aktivisten blockierten mit Steinen und brennenden Reifen Straßen. Laut einem Behördenvertreter musste die Hälfte der 20 Wahlbüros geschlossen werden.
In anderen, von mutmaßlichen Al-Kaida-Anhängern kontrollierten Orten wie etwa Sindschibar blieben viele Wähler aus Angst vor Gewalt den Urnen fern. Die Aktivisten der "südlichen Bewegung" hatten zum "Tag des zivilen Ungehorsams" aufgerufen. Die Bewegung setzt sich für größere Autonomie des ehemals sozialistisch regierten Südens ein - die Hardliner fordern gar eine Abspaltung.
"Wir schlagen ein neues Kapitel auf"
Im Gegensatz zum Süden zeichnete sich im Norden eine rege Wahlbeteiligung ab. Schon vor Wahlbeginn bildeten sich in der Hauptstadt Sanaa lange, nach Geschlechtern getrennte Schlangen vor den Wahllokalen. Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman sprach von einem "Festtag": Er bedeute das endgültige Ende der 33-jährigen Herrschaft Salehs, sagte die Journalistin bei ihrer Stimmabgabe. Den künftigen Präsidenten Hadi forderte sie auf, sich um die Belange der Jugend zu kümmern, sonst drohe ihm ein ähnliches Schicksal wie seinem Vorgänger.
Hadi sprach bei seiner Stimmabgabe von einem "historischen Tag": "Wir schlagen ein neues Kapitel auf", sagte er unter dem Applaus seiner Anhänger. Auch aus den anderen Städten des Nordens wurde von einer lebhaften Wahlbeteiligung berichtet. Lediglich in den schiitischen Hochburgen blieben die Wahllokale leer oder geschlossen. Dort hatten die Rebellen, die seit 2004 gegen Saleh kämpften, zum Boykott aufgerufen. Hadi hatte am Sonntag angekündigt, während seiner Amtszeit die alten Konflikte anzugehen. Diese ließen sich durch "Dialog und nur durch Dialog" lösen.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte, er hoffe, dass die Wahl ein Schritt auf dem Weg zur Beilegung der innenpolitischen Krise sein werde. Deutschland sei bereit, den politischen Neuanfang im Jemen zu unterstützen.
Saleh-Verwandte werden entlassen
Nach monatelangen Protesten mit hunderten Toten hatte Staatschef Saleh im November ein Abkommen zum Machtverzicht unterzeichnet, das ihm im Gegenzug Immunität zusicherte. Nach der Wahl sollen zudem die zahlreichen Verwandten, die Saleh als Kommandeure in Armee, Geheimdienst und Polizei eingesetzt hatte, die Sicherheitskräfte verlassen.
Als einzigen Kandidaten für Salehs Nachfolge sah das Abkommen seinen bisherigen Vize vor. Der 66-jährige Karrieresoldat aus dem Süden soll für eine Übergangszeit von zwei Jahren im Amt bleiben. Wie hoch Hadis Unterstützung in der Bevölkerung ist, lässt sich auch an der Wahlbeteiligung ablesen. Zum Urnengang aufgerufen waren mehr als zwölf Millionen Stimmberechtigte. Das Ergebnis wird binnen der kommenden zwei Tage erwartet.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP