Schauprozesse in Weißrussland Journalistin erhält Haftaufschub
16.05.2011, 11:32 UhrDie weißrussische Justiz geht seit Monaten so scharf wie seit Jahren nicht mehr gegen Oppositionelle vor. Nach der Verurteilung des früheren Präsidentenkandidaten Sannikow zu fünf Jahren Arbeitslager wird jetzt auch seine Ehefrau, die Journalistin Chalip, zu zwei Jahren Haft verurteilt. Ihre Strafe soll sie aber erst in zwei Jahren antreten - ein Zeitfenster, um Sannikow, Chalip und andere freizukaufen.
Ungeachtet internationaler Proteste hat das autoritäre Regime in Weißrussland erneut mehrere Gegner von Staatschef Alexander Lukaschenko bestraft. Wegen ihrer Teilnahme an Protesten gegen die gefälschte Präsidentenwahl am 19. Dezember verurteilte ein Gericht in Minsk die Journalistin Irina Chalip zu zwei Jahren Gefängnis.
Die Strafe muss die Mutter eines vier Jahre alten Sohnes aber erst in zwei Jahren antreten, wie das Gericht entschied. Zwei Oppositionspolitiker wurden zu drei Jahren im offenen Strafvollzug beziehungsweise zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Deutschland, die EU und die USA hatten die politischen Schauprozesse scharf verurteilt.
Das Aussetzen von Gefängnisstrafen wird in dem autoritär regierten Staat häufiger praktiziert. Zum Einen signalisiert Weißrussland damit ein Entgegenkommen, weil wie jetzt im Fall Chalip der vierjährige Sohn der Journalistin in ein Heim müsste. Zum Anderen wird dem Westen dadurch Zeit zum Handeln gegeben. Wie in der damaligen DDR ist Weißrussland dringend auf Devisen angewiesen und nutzt das Freikaufen von politischen Gegnern als Geschäft.
Zeit drängt im Fall Sannikow

Sannikow ist der erste von sieben angeklagten Gegenkandidaten des autoritären Staatschefs Alexander Lukaschenko, der verurteilt wurde. Seine Anwältin will in Berufung gehen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Reporterin Chalip von der russischen Zeitung "Nowaja Gaseta" ist die Ehefrau des früheren Präsidentenkandidaten Andrej Sannikow. Der 57-Jährige war vor wenigen Tagen zu fünf Jahren Straflager verurteilt worden wegen der Organisation gewaltsamer Massenproteste. Westliche Prozessbeobachter sprachen von Schauprozessen in "Europas letzter Diktatur" wie zu Sowjetzeiten unter dem Diktator Josef Stalin. Erwartet wird, dass der Westen mit auch mit Rücksicht auf Sannikows angeschlagener Gesundheit schnell handeln wird.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte die Freilassung von Sannikow und anderen politischen Gefangenen der Ex-Sowjetrepublik. Die USA drohten Weißrussland mit weiteren Strafmaßnahmen. Die EU und die USA haben das Land mit Sanktionen belegt.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa