Wer wird Kommissionspräsident? Juncker und Schulz reklamieren Sieg
25.05.2014, 19:45 UhrMartin Schulz oder Jean-Claude Juncker? Nach der Europawahl erheben sowohl die Sozialdemokraten als auch die Union Anspruch auf das Amt des Kommissionspräsidenten. Rund zwölf deutsche Parteien werden im Europaparlament vertreten sein.
Die Spitzenkandidaten der beiden großen europäischen Parteien haben den Wahlsieg bei der Europawahl für sich beansprucht. "Die EVP ist dabei, die Europawahlen zu gewinnen", teilte der ehemalige luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker auf Twitter mit. "Sie beansprucht somit die Präsidentschaft der Europäischen Kommission." Juncker ist europaweiter Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören.
Auch der Spitzenkandidat der europäischen Sozialisten, Martin Schulz, reklamierte den Wahlsieg für sich. "Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Mehrheit für einen Kommissionspräsidenten Martin Schulz im Parlament finden können", sagte Schulz, der bisher Präsident des Europaparlaments war. Er werde sich jetzt darauf konzentrieren, "diese Mehrheit zu zimmern".
CDU und SPD unterstützten ihren jeweiligen Kandidaten. "Wir sagen mit großem Selbstbewusstsein, dass Martin Schulz große Chancen hat, eine Mehrheit hinter sich zu bringen", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Unions-Fraktionschef Volker Kauder erklärte dagegen: "Für Jean-Claude Juncker ist klar, wenn wir die Wahl so gewinnen können, wie es sich jetzt darstellt, dann ist er natürlich unser Spitzenkandidat, der Mann, der die Aufgabe auch erhält."
Die "Chefs" haben das erste Wort
Die Parteienfamilien haben erstmals europaweite Direktkandidaten aufgestellt. Ob am Ende allerdings wirklich Schulz oder Juncker die EU-Kommission leiten werden, ist allerdings fraglich: Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britische Premier David Cameron haben sich bereits gegen einen entsprechenden Automatismus ausgesprochen. Camerons Konservative Partei gehört der EVP seit ein paar Jahren nicht mehr an.
Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD, Merkel, Horst Seehofer und Gabriel, wollen am Montagabend darüber beraten, welchen Kandidaten die Bundesregierung in Brüssel unterstützen wird. Dort kommen am Dienstagabend die EU-Staats- und Regierungschefs zusammen, um über die Personalie zu beraten. Der Kommissionspräsident wird auf Vorschlag des Europäischen Rats vom Europäischen Parlament gewählt. Im Rat sitzen die "Chefs"; die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Staaten. Die Abgeordneten haben klargemacht, dass sie nur einen Kandidaten akzeptieren werden, der bei der Europawahl angetreten ist.
Die Grünen halten sich offen, welchen der Spitzenkandidaten sie im EU-Parlament unterstützen werden. "Wir werden uns genau angucken, wie das Programm der Kandidaten ist", sagte die europäische Spitzenkandidatin der Grünen für die Europawahl, die Deutsche Ska Keller. "Wir werden unsere Unterstützung nur einem Kandidaten geben, der sich für grüne Ideen und Inhalte einsetzt."
CSU rutscht ab
Die Verluste für die Union gehen nach Zahlen von ARD und ZDF wohl vor allem auf das Konto der CSU. Parteichef Seehofer sagte: "Das Wahlergebnis ist für uns eine herbe Enttäuschung." Eine erste Analyse habe ergeben, dass die Wahlbeteiligung in Bayern deutlich unter der im Bundesgebiet insgesamt gelegen habe. Sehr viele CSU-Wähler hätten sich auf diese Weise wohl diesmal enthalten.
Die FDP stürzte bei der Wahl mit rund drei Prozent ins Bodenlose. Angesichts der fehlenden Sperrklausel für den Einzug in das Europäische Parlament werden die Liberalen aber weiterhin in Straßburg vertreten sein. Drittstärkste Kraft wurden die Grünen, vor der Linkspartei. Die Wahlbeteiligung stieg laut ARD auf 48 Prozent nach 43,3 Prozent 2009. Wahlforscher hatten mit einer höheren Beteiligung gerechnet, dies aber vor allem auf die parallel ausgetragenen Kommunalwahlen in zehn Bundesländern, darunter im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen, zurückgeführt. Mit ersten Gesamtergebnissen aus den übrigen 27 Mitgliedsstaaten wurde erst nach Schließung der letzten Wahllokale in Italien um 23.00 Uhr gerechnet.
Nach der ARD-Hochrechnung von 20.00 Uhr erhielten CDU/CSU 35,5 Prozent nach 37,9 Prozent vor fünf Jahren. Deutlich zulegen konnte die SPD mit 27,2 Prozent, nachdem sie 2009 mit 20,8 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl erzielt hatte. Die Grünen erhielten 10,7 Prozent nach 12,1 Prozent 2009. Die Linkspartei behauptete mit 7,5 Prozent ihr Ergebnis von 2009. Die AfD erreichte bei ihrer ersten Europawahl 7,0 Prozent. Die FDP kommt nur noch 3,3 Prozent nach 11,0 Prozent 2009.
Ins neue Europaparlament mit insgesamt 751 Abgeordneten entsenden CDU und CSU demnach 35 Parlamentarier, die SPD 27. Die Grünen schicken elf Abgeordnete nach Straßburg und Brüssel, die Linken sieben. Auch die AfD stellt sieben Abgeordnete, die FDP drei. Je einen Parlamentarier entsenden die NPD, die Piraten und die Freien Wähler.
Weil das Bundesverfassungsgericht die Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl gekippt hat, können auch Splitterparteien von den politischen Rändern ins Straßburger Parlament einziehen. Für ein Mandat dürfte rund ein Prozent der Stimmen ausreichen, womit sich etwa ein Dutzend Parteien aus Deutschland Hoffnungen auf ein Mandat machen können.
Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa/rts