Tornadoflüge zum G8-Gipfel Jung erntet harsche Kritik
04.07.2007, 13:17 UhrMit den Luftwaffen-Flügen zum G8-Gipfel hat das Verteidigungsministerium nach Auffassung von SPD und Opposition die Grenzen zum verfassungswidrigen Bundeswehreinsatz im Inland verwischt. Bundestagsabgeordnete warfen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) Inkompetenz und mangelnde Transparenz gegenüber Parlament und Bevölkerung vor. Jung kündigte über den von seinem Haus vorgelegten 30-Seiten-Bericht zu dem Einsatz über Heiligendamm hinaus eine Prüfung der Befehlswege an.
Jung hatte den Angaben zufolge zwei Tornado-Aufklärungsmissionen genehmigt. Es wurden aber sieben geflogen. Der SPD-Politiker Rainer Arnold sagte, das Ministerium habe die Amtshilfe der Bundeswehr für die Polizei nach Artikel 35 des Grundgesetzes "eigenmächtig überdehnt". FDP-Fraktionsvize Birgit Homburger sagte: "Das war der Versuch, die Grenzen in Richtung Bundeswehreinsatz im Inneren zu verschieben." Ähnlich äußerten sich Abgeordnete der Linken und Grünen. Das Ministerium soll in der nichtöffentlichen Sitzung des Verteidigungsausschusses die Verantwortung auf das Land Mecklenburg- Vorpommern geschoben haben, berichteten Abgeordnete.
Einsatz verfassungskonform
Jung sagte, es bestehe Überprüfungsbedarf. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, werde die Befehlswege nachverfolgen, damit gegebenenfalls über Konsequenzen beraten werden könne. Es gebe aber keinen Zweifel daran, dass der Bundeswehreinsatz verfassungskonform gewesen sei. Der Grundgesetz-Artikel 35 regelt, dass die Bundeswehr der Polizei bei "besonders schweren Unglücken" oder Naturkatastrophen Amtshilfe leisten darf. Die mit speziellen Kameras ausgerüsteten Tornados waren unter anderem auch über ein Zeltlager von Globalisierungskritikern geflogen. Angeblich wurden die zusätzlichen Flüge von der Polizei angefordert.
Das Verteidigungsministerium hatte bislang Informationen über den Umfang des Luftwaffe-Einsatzes zurückgehalten. Die Staatssekretäre Peter Wichert und Thomas Kossendey legten dem Verteidigungsausschuss nun den 30-Seiten-Bericht vor. Darin wurde erstmals der Einsatz von "Phantom"-Kampfflugzeugen und "Eurofighter"-Jagdjets mitgeteilt. Dies wurde von den Verteidigungsexperten der Fraktionen als weitgehend unproblematisch gewertet, weil das bei Großereignissen üblich sei. Allerdings habe es vor dem Gipfel keine Informationen darüber gegeben. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, Jungs Informationspolitik wachse sich zu einem Skandal aus. "Jung ist eindeutig der schlechteste Verteidigungsminister seit langem."
Technische Schwierigkeiten
Arnold sagte: "Wir müssen dafür sorgen, dass sich solche Vorkommnisse nicht wiederholen." Es müsse ausgeschlossen werden, dass das Ministerium mit den Bundesländern und der Polizei Einsätze der Streitkräfte unangemessen ausdehne. Gerade weil die Union den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ausweiten wolle, müsse die Absicherung des G8-Gipfels aufgeklärt werden. Der CDU-Verteidigungsexperte Bernd Siebert sagte, die zusätzlichen Einsätze seien nötig gewesen, weil es technische und witterungsbedingte Schwierigkeiten gegeben habe. Auf die Frage, warum das Ministerium zunächst nicht von dem umfangreichen Einsatz berichtet habe, sagte er: "Es braucht immer einige Zeit, bis man alle Tiefen des Einsatzes zur Kenntnis genommen hat."
Der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei beklagte wie der Linke-Abgeordnete Paul Schäfer, dass die Bundeswehr den Radpanzer- Spähwagen Fennek einsetzte. Die Bevölkerung könne normalerweise nicht zwischen einem Panzer und einem Aufklärungsfahrzeug unterscheiden, sagte Nachtwei. Schäfer meinte: "Menschen durch Einschüchterung von der Wahrnehmung ihrer Grundrechte abzuhalten, ist verfassungswidrig."
Quelle: ntv.de