Politik

Demonstranten in der Ukraine errichten Barrikaden Justiz ermittelt gegen die Opposition

Vitali Klitschko (r.) und Arseni Jazenjuk gehören zu den Wortführern der Proteste. Ob die Justiz auch gegen sie ermittelt, ist unklar.

Vitali Klitschko (r.) und Arseni Jazenjuk gehören zu den Wortführern der Proteste. Ob die Justiz auch gegen sie ermittelt, ist unklar.

(Foto: imago stock&people)

Unvermindert wird in Kiew gegen Präsident Janukowitsch protestiert. Die Justiz ermittelt nun gegen die Opposition - sie wirft ihr einen Umsturzversuch vor. Tatsächlich blockieren die Demonstranten das Regierungsviertel mit Barrikaden. Kanzlerin Merkel will derweil Oppositionsführer Vitali Klitschko eine Bühne bieten.

In der Ukraine haben die Sicherheitsbehörden Ermittlungen gegen die Opposition wegen angeblichen Umsturzversuchs eingeleitet. Es gehe um "illegale Handlungen bestimmter Politiker mit dem Ziel, die Macht im Staat zu ergreifen", sagte eine Behördensprecherin. Namen nannte sie nicht.

Auslöser der Maßnahme könnte der Aufruf des früheren Außenministers Arseni Jazenjuk zur Blockade des Regierungsviertels in Kiew gewesen sein. Nach einer Großkundgebung mit Hunderttausenden Demonstranten hatte die Opposition mehrere Regierungsgebäude mit Barrikaden blockiert. Die proeuropäischen Anhänger von Boxweltmeister Vitali Klitschko versperrten Straßen und Gehwege mit Holzstämmen, großen Zelten und Privatautos. "Wir tun dies, damit Präsident Viktor Janukowitsch unsere Forderungen endlich hört", sagte Klitschko.

Der mit staatsanwaltlichen Befugnissen ausgestattete Inlandsgeheimdienst SBU teilte nach Angaben der Agentur Interfax mit, dass ein versuchter Staatsstreich mit fünf bis zehn Jahren Gefängnis bestraft werden könne. Es wurden keine Angaben darüber gemacht, gegen wen die Justiz ermittelt.

Bei den nunmehr seit knapp drei Wochen andauernden Massenkundgebungen protestieren Regierungsgegner gegen den prorussischen Kurs der ukrainischen Staatsführung. Auslöser war die Entscheidung von Staatspräsident Viktor Janukowitsch, auf Drängen Russlands ein Abkommen zur Annäherung an die EU vor der geplanten Unterzeichnung platzen zu lassen.

Lenin-Statue gestürzt

Bei einem der größten Massenproteste seit Jahren forderten die Regierungsgegner um Boxweltmeister Vitali Klitschko am Sonntag Neuwahlen in der Ukraine. Oppositionsführer Arseni Jazenjuk sagte, die Demonstranten dürften es "Janukowitsch nicht erlauben, die Ukraine an Russland zu verkaufen". Klitschko rief zu einem Generalstreik auf. Er sei "sicher, dass wir die Macht stürzen können". Im Stadtzentrum versammelten sich nach Angaben der Opposition eine halbe Million Menschen. Beobachter sprachen von etwa 300.000 Menschen.

Die Wut richtete sich auch gegen eine Lenin-Statue in Kiew - sie wurde gestürzt.

Die Wut richtete sich auch gegen eine Lenin-Statue in Kiew - sie wurde gestürzt.

(Foto: dpa)

Bei eisigen Temperaturen auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan), der 2004 das Zentrum der prowestlichen Orangenen Revolution war, sangen die Demonstranten die ukrainische Hymne und schwenkten die ukrainische und EU-Fahnen sowie die Banner der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA), die im Zweiten Weltkrieg gegen die sowjetische Rote Armee kämpfte.

Die Tochter der wegen Amtsmissbrauchs inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko verlas eine Botschaft ihrer Mutter, in der diese Janukowitschs "sofortigen Abgang" verlangte. Die Menge skandierte: "Rücktritt! Rücktritt!" Jewgenija Timoschenko las weiter: "Wir haben heute die Wahl zwischen dem Versinken in eine korrupte Diktatur und die Rückkehr nach Hause, nach Europa."

Im Zuge der Proteste stürzten Demonstranten eine 3,50 Meter hohe Statue des sowjetischen Revolutionsführers Wladimir Lenin. Die maskierten Täter hätten die Flagge der nationalistischen Freiheitspartei (Swoboda) geschwenkt und Leuchtgeschosse abgefeuert, sagte ein Polizeisprecher. Für ukrainische Nationalisten ist Lenin als Begründer der Sowjetunion eine Hassfigur.

Merkel will Klitschko stärken

Die EU kündigte derweil erstmals eine Vermittlungsmission in der Hauptstadt der früheren Sowjetrepublik an. Nach Angaben der EU-Kommission wird die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Kürze zu Gesprächen nach Kiew reisen. Sie wolle dort helfen, nach einem Weg aus der politischen Krise zu suchen, hieß es in Brüssel.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will nach Informationen des "Spiegel" Klitschko durch gemeinsame Auftritte zum Oppositionsführer aufbauen. Klitschko solle beim kommenden Treffen der Staats- und Regierungschefs der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) in Brüssel Mitte Dezember in der Runde auftreten und auch ein Gespräch mit Kanzlerin Merkel bekommen, schrieb das Magazin unter Berufung auf Regierungs- und EVP-Kreise. Dem Bericht zufolge erhält die Klitschko-Partei Udar derzeit Unterstützung von der EVP und der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief Staatschef Viktor Janukowitsch zum Dialog mit der Opposition auf. Ban äußerte sich in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten besorgt über die Lage in der Ukraine und betonte, es dürfe in der Auseinandersetzung keine Gewalt angewendet werden, hieß es in einer in New York veröffentlichten UN-Erklärung. Ban rief "zum friedlichen Dialog zwischen allen betroffenen Parteien" auf. Die Proteste stürzten das 46-Millionen-Einwohner-Land in die tiefste politische Krise seit der orangenen Revolution von 2004.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP

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