Politik

Nazi-Vergleich Kalkulierter Eklat?

Der Judenstern-Vergleich des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) hat am Freitag weiter für Wirbel gesorgt und einen zweiten Eklat nach sich gezogen. Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) warf Koch im Landtag in Hannover einen "kalkulierten Missbrauch des Holocaust" vor.

Fast die gesamte CDU-Fraktion verließ daraufhin unter lautem Protest den Plenarsaal und verlangte eine Entschuldigung. Wie Gabriel sprach die Bundes-SPD von einem absichtlichen Tabubruch Kochs. Die Bundesregierung verurteilte in Berlin die Wortwahl des hessischen Regierungschefs, während CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer nach der Entschuldigung Kochs die Sache für erledigt erklärte. Koch und Gabriel befinden sich im Wahlkampf für die Landtagswahlen in ihren Ländern am 2. Februar.

Koch hatte dem Vorsitzenden der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, am Donnerstag vorgeworfen, in der Vermögensteuerdebatte Namen reicher Deutscher genannt zu haben. Das sei "eine neue Form von Stern an der Brust" und "eine schlimme Parallele zu anderen Zeiten". Dies wurde allgemein als Anspielung auf den von den Nazis eingeführten Judenstern verstanden. Koch entschuldigte sich im Landtag und sagte, er habe sich in der emotionalen Debatte "vergaloppiert".

Bsirske äußerte sich am Freitag "empört darüber, dass aus den Reihen von CDU und CSU nun zum wiederholten Mal rot-grüne Politiker und ihre Wähler und jetzt auch Gewerkschafter in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt wurden. Es fällt schwer, darin einen Zufall zu sehen."

Gabriel bescheinigte Koch am Freitag eine "infame Energie" und meinte mit Blick auf die Landtagswahlen: "Ich glaube, dass das eiskalte Berechnung ist. Denn nur in einer aufgeheizten innenpolitischen Stimmung wie jetzt hat er in Hessen und hat Herr Wulff in Niedersachsen eine Chance." Zudem nannte er Koch in Bezug auf die CDU-Spendenaffäre einen "Wiederholungstäter". Damals waren Rückflüsse von schwarzen Konten des Landesverbands Hessen in der Schweiz zum Teil fälschlich als Vermächtnisse deutschstämmiger Juden im Ausland dargestellt worden.

Der niedersächsische CDU-Fraktionschef Christian Wulff sagte, Gabriels Vorwurf sei "unter Demokraten inakzeptabel und eine unverantwortliche Entgleisung". SPD-Generalsekretär Olaf Scholz und Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke forderten die CDU-Vorsitzende Angela Merkel auf, sich eindeutig von den Äußerungen Kochs zu distanzieren. Scholz sagte in Berlin, die Entschuldigung Kochs sei "halbherzig und völlig unzureichend" gewesen und der Judenstern-Vergleich kein Ausrutscher, sondern Teil einer langen Reihe von kalkulierten Entgleisungen und Tabubrüchen.

Nach den Worten Lemkes ist die Sache "erst erledigt, wenn er (Koch) zurücktritt". In der "Frankfurter Rundschau" Samstag fügte sie hinzu, durch CDU-Generalsekretär Meyer, der sich hinter Koch gestellt hatte, "werden Kochs Entgleisungen zum Problem der gesamten CDU".

Quelle: ntv.de

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