Hessische Spielchen mit Statistik Kampf um die Deutungshoheit
17.01.2008, 12:48 UhrDer Kampf um die Macht in Hessen ist auch ein Kampf um Zahlen und Statistiken. Das gilt vor allem für die Aufreger-Themen der vergangenen Wahlkampfwochen: Jugendkriminalität und innere Sicherheit. Kaum ein Tag, an dem nicht CDU, SPD, Grüne oder FDP neues Datenmaterial vorlegen, um ihre eigene Position vor der Landtagswahl am 27. Januar zu unterfüttern und die jeweils andere Seite zu widerlegen. Dabei gehe es gar nicht um die Objektivität der Zahlen, sagt der emeritierte Marburger Politologie-Professor Theo Schiller. "Das Schüren von Zweifeln ist ja hier der Effekt." Alle kämpften um die "Deutungshoheit".
Im Mittelpunkt stehen die Zahl der Polizisten, die Entwicklung der Jugendgewalt oder auch die Mittel für Präventionsmaßnahmen. Der dabei entstehende Zahlensalat ist für Außenstehende nur noch schwer nachzuvollziehen. Regelmäßig bezichtigen sich die Beteiligten gegenseitig der "Lüge".
Zum Beispiel bei der Zahl der Polizisten in Hessen. Die Sozialdemokraten beklagen 1186 gestrichene Stellen bei der Polizei, was sich auf die Planstellen im Landeshaushalt bezieht. "Richtig ist, dass heute über 1000 Polizeibeamte mehr in Hessen im Einsatz sind", erwidert dagegen fast gebetsmühlenartig Innenminister Volker Bouffier (CDU). Er redet aber von der Zahl der tatsächlich besetzten Stellen. 1999 lag diese bei 12.746, derzeit sind es laut Bouffier 13.877. Nach Rechnung der Sozialdemokraten sind aber im aktuellen Haushalt nur 13.378 Polizeistellen vorgesehen. Wer rechnet sich also was schön?
Ähnlich verhält es sich bei den Präventionsprojekten zur Jugendgewalt. Die Sozialdemokraten kritisierten Kürzungen von acht Millionen Euro jährlich seit 2004. Die Antwort der CDU ließ nicht lange auf sich warten: Insgesamt gebe es 53 Millionen Euro mehr für Prävention, Integration und Familie als 2003.
Das Jonglieren mit Zahlen kann den Parteien durchaus helfen, wie Schiller erklärt. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) habe die Debatte über innere Sicherheit und Kriminalität angestoßen und präsentiere die CDU als Partei der inneren Sicherheit. Da sei vorher selbstverständlich die Sicherheitslage in Hessen analysiert worden. "Die scheinbar souveräne Position ist durch die Zahlenspiele angeknackst worden."
Daran hat auch eine aktuelle Studie über die Jugendgewalt in Hessen ihren Anteil. Der Hannoveraner Kriminologe und frühere niedersächsische SPD-Innenminister Christian Pfeiffer berichtete über einen beträchtlichen Anstieg bei der polizeilich registrierten Jugendgewalt in Hessen. Bei schweren und gefährlichen Körperverletzungen errechnete er ein Plus von 66 Prozent und bezog sich auch auf die polizeiliche Kriminalstatistik. Die SPD nennt Koch und Bouffier deshalb "Sicherheitsversager".
"Nicht nachvollziehbar", sagen dagegen das hessische Landeskriminalamt und Landespolizeipräsident Norbert Nedela. Sie räumen lediglich ein, dass die Zahl aller Gewaltdelikte - also auch der Erwachsenen - gestiegen ist. Die CDU wirft der SPD "Zahlentrickserei" vor.
Wer im Ringen um die richtige Statistik letztlich die Oberhand behalten hat, wird sich am 27. Januar herausstellen. Dann zählen nur noch die Prozentzahlen der einzelnen Parteien.
Quelle: ntv.de, Jan Brinkhus, dpaJan Brinkhus, dpa