Hartz-Vorschläge Kanzler umgarnt Genossen
01.07.2002, 09:36 UhrBundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat in seiner Partei um Zustimmung zu den Vorschlägen der Hartz-Kommission geworben. Es sei "wichtig und richtig, was da jetzt heranreift", sagte er vor den SPD-Kandidaten für die Bundestagswahl in Berlin. "Es geht um das Gesamtkonzept, die Menschen so schnell wie möglich in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen", betonte der Kanzler. Man solle sich jetzt nicht irritieren lassen und einzelne Aspekte herausgreifen.
Er sei froh über die Anmerkungen der Gewerkschaften, erklärte Schröder. Offensichtlich ebenfalls im Hinblick auf die Gewerkschaften hatte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering bereits zuvor deutlich gemacht, dass die Regierung die Hartz-Vorschläge nicht Eins zu Eins übernehmen werde. "Dass wir alles so machen, wie die vorschlagen, haben wir nie versprochen", sagte Müntefering. Vor der Diskussion mit den Gewerkschaften habe er keine Sorge. "Das läuft gut. Wir treiben das Thema voran", erklärte Müntefering nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums in Berlin.
Gewerkschaften sagen Ja, aber ...
Die Gewerkschaften hatten insbesondere gegen Einschnitte bei den Lohnersatzleistungen Widerstand angekündigt. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di verständigte sich eine Arbeitsgruppe der Hartz-Kommission darauf, dass die Leistungen an Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger weder in der Höhe noch der Bezugsdauer geändert werden sollen. "Wir gehen davon aus, dass die Kommission den Empfehlungen der Projektgruppe folgt", sagte das Mitglied der Kommission und des ver.di-Vorstands, Isolde Kunkel-Weber, der "Financial Times Deutschland".
Der Chef der IG Metall, Klaus Zwickel, erklärte, grundsätzlich gingen die Pläne der Kommission in die richtige Richtung. Die angeregte Vermittlungs- und Qualifizierungsoffensive dürfe jedoch nicht zu einer pauschalen Kürzung des Arbeitslosengeldes führen. "Da steht die SPD im Wort", sagte er im Hinblick auf das Wahlprogramm der Sozialdemokraten. Das Ziel, zwei Millionen Menschen wieder in Arbeit zu bringen, sei aber wichtig und richtig.
Seehofer unterstützt Gewerkschaften
Der Sozialexperte der Union, Horst Seehofer (CSU), stellte sich hinter die Forderung, bei der Reform des Arbeitsmarktes Leistungen der Arbeitslosenversicherung nicht anzutasten. Er forderte Schröder auf, diesen Punkt "endgültig" fallen zu lassen. CDU-Chefin Angela Merkel sagte, ihre Partei stehe den Hartz-Vorschlägen noch abwartend gegenüber. Die Anregungen müssten im Einzelnen durchgegangen werden. Was mit der Programmatik der CDU übereinstimme, werde jedoch selbstverständlich unterstützt, erklärte Merkel.
Die FDP-Führung begrüßte die Anregungen der Hartz-Kommission erneut. Die Liberalen seien bereit, in einer Sondersitzung des Bundestags während der Sommerpause erste Beschlüsse zu fassen, erklärte FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper. Auch die Grünen stehen nach Angaben ihres Parteichefs Fritz Kuhn den Vorschlägen "sehr positiv" gegenüber. Grünen-Spitzenkandidat und Bundesaußenminister Joschka Fischer lobte die vorgeschlagenen Maßnahmen als "aktive Politik zur Überwindung der Arbeitslosigkeit".
Die Hartz-Kommission schlägt in ihrem Zwischenbericht vor, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zu einem gestuften System zusammenzuführen: in den ersten 6 Monaten Pauschalleistungen, vom 6. bis 12. Monat genau gerechnetes Arbeitslosengeld analog dem heutigen Arbeitslosengeld, vom 12. bis 24. Monat reduziertes Arbeitslosengeld entsprechend der Höhe der heutigen Arbeitslosenhilfe. Dagegen sieht die bisher bestehende Regelung beim Arbeitslosengeld bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen eine jährlich neu zu genehmigende, letztlich aber unbegrenzte Zahlung vor.
Wirtschaft wächst - Arbeitslosigkeit sinkt
Unterdessen prophezeite Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) für das kommende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 3,0 Prozent und in der Folge einen deutlichen Rückgang der Arbeitslosenzahl. "Ich rechne im Sommer 2003 mit 3,5 Millionen Arbeitslosen, eher weniger", sagte Müller der Zeitung "Die Welt".
Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, bezweifelte die Voraussage der Hartz-Kommission, die Zahl der Arbeitslosen könne bis 2005 auf zwei Millionen halbiert werden. Er räumte jedoch ein, dass noch in diesem Jahrzehnt eine Senkung der Arbeitslosenquote auf drei bis fünf Prozent erreichbar sei.
Quelle: ntv.de