Politik

Donnerstag vor dem Richter Karadzic in Den Haag

Der als Kriegsverbrecher angeklagte ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic steht nach zwölf Jahren auf der Flucht nun vor Gericht. Er wurde in einer nächtlichen Blitzaktion an das UN-Tribunal in Den Haag überstellt und soll schon am Donnerstag einem Richter vorgeführt werden. Chefankläger Serge Brammertz erwartet nach eigenen Worten einen schwierigen Prozess.

Der wegen Völkermordes angeklagte Karadzic hat demnach bereits am Donnerstag die Gelegenheit, auf schuldig oder nicht schuldig zu plädieren. Dafür kann er sich aber auch bis zu 30 Tage Zeit lassen. Die in den Regeln des Tribunals vorgeschriebene erste Anhörung wird von dem Vorsitzenden der Ersten Strafkammer, dem Niederländer Alphons Orie, geleitet.

Anwalt narrt die Behörden

Karadzic war am frühen Morgen aus seiner Zelle in Belgrad zum Flughafen gebracht und nach Rotterdam geflogen worden. Von dort aus wurde er umgehend in das Gefängnis des UN-Tribunals in dem zu Den Haag gehörenden Badeort Scheveningen gebracht. Sein Anwalt Svetozar Vujacic sagte dem Belgrader Sender B92, er habe überhaupt keinen Widerspruch gegen die Auslieferung eingelegt. Dies sei die einzige Möglichkeit gewesen, sie so lange hinauszuzögern.

Weil bis Dienstag kein Einspruch eingetroffen war, beschloss das Gericht am späten Nachmittag, den mutmaßlichen Kriegsverbrecher auszuliefern, wie Ivana Ramic, Sprecherin des Gerichts, in Belgrad sagte. Karadzic war nach zwölf Jahren auf der Flucht am Montag vergangener Woche in der serbischen Hauptstadt festgenommen worden.

EU erwartet weitere Schritte

Die EU begrüßte die Auslieferung Karadzics. Sie appelliere an Serbien, diesen Weg weiter zu gehen und andere Angeklagte – vor allem Serbengeneral Ratko Mladic – ebenfalls auszuliefern, hieß es in einer in Paris veröffentlichten Mitteilung der französischen EU-Ratspräsidentschaft. Die Festnahme von Karadzic sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Versöhnung auf dem Balkan und einer Annäherung zwischen Serbien und Europa gewesen.

Berlin spricht von Gerechtigkeit

Die Bundesregierung hofft auf einen raschen Prozessbeginn. Dies sei wichtig, weil viele der Opfer der furchtbaren Verbrechen jener Zeit schon seit vielen Jahren darauf warteten, dass ihnen Gerechtigkeit widerfahre und die Schuldigen bestraft würden, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Jens Plötner, in Berlin. Die Überstellung sei ein weiteres Zeichen dafür, dass der serbische Präsident Boris Tadic und die neue Regierung in Belgrad ihre Zusagen gegenüber der EU einhielten und sich auch daran messen lassen wollten.

Anklage wird überarbeitet

Der Chefankläger teilte mit, die letzte, aus dem Jahr 2000 stammende Anklageschrift gegen Karadzic werde überarbeitet. Entscheidungen des Tribunals und Erkenntnisse aus anderen Prozessen aus den seither verstrichenen acht Jahren sollten eingearbeitet werden. Brammertz will damit die Beweisführung im Karadzic-Prozess erleichtern. "Wir werden unsere Anklage auf die effizienteste Weise vertreten, unter Beachtung aller Rechte der Verteidigung", sicherte er zu.

Schwere Vorwürfe

Karadzic wird verantwortlich gemacht für die Verbrechen an bosnischen Muslimen und bosnischen Kroaten während des Krieges in dem Balkanland in der ersten Hälfte der 90er Jahre. Allein beim Massaker von Srebrenica im Juli 1995 wurden nach Schätzungen etwa 8000 Männer und Jungen von serbisch-bosnischen Truppen ermordet. Aus Flüchtlingsströmen wurden laut Anklage Menschen wahllos und gruppenweise herausgelöst und umgebracht. Gefangene seien gequält und getötet worden. Die Anklageschrift verweist auch auf die fast vierjährige Einkesselung von Sarajevo.

Familie erhält Papiere zurück

Die Familie von Karadzic in Bosnien bekam inzwischen ihre Reisedokumente zurück. Das gab das Büro des Hohen Internationalen Vertreters, Miroslav Lajcak, in der Hauptstadt Sarajevo bekannt. Der nahe Sarajevo lebenden Karadzic-Frau, seinem Sohn und seiner Tochter sowie dem Schwiegersohn waren die Dokumente Anfang des Jahres wegen des Verdachts der Fluchthilfe für Karadzic entzogen worden. Deswegen konnten sie ihn auch nicht mehr vor seiner Auslieferung in der Belgrader Abschiebehaft besuchen.

Quelle: ntv.de

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