Politik

Darf ein Bundespräsident NPD-Anhänger "Spinner" nennen? Karlsruhe prüft Gaucks Meinungsfreiheit

Die NPD hat Gauck verklagt, weil sie sich in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt sieht.

Die NPD hat Gauck verklagt, weil sie sich in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt sieht.

(Foto: dpa)

Bundespräsident Gauck ist für klare Worte bekannt. Ob er Rechtsextremisten als Spinner, Ideologen und Fanatiker bezeichnen durfte, oder damit die Grenzen parteipolitischer Neutralität überschritten hat, muss nun das Bundesverfassungsgericht prüfen.

Bundespräsident Joachim Gauck ist dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Als er letztes Jahr Anhänger der rechtsextremen NPD als "Spinner" bezeichnete, schlugen die Wellen hoch. Darf das ein Bundespräsident? Die NPD meint, er darf es nicht und verklagt Gauck deshalb in Karlsruhe.

Joachim Gauck hatte bereits vor seiner Wahl angekündigt, offen und deutlich auf Unzulänglichkeiten in der Politik hinzuweisen.

Joachim Gauck hatte bereits vor seiner Wahl angekündigt, offen und deutlich auf Unzulänglichkeiten in der Politik hinzuweisen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nun muss das Bundesverfassungsgericht prüfen, ob Gauck mit seinen Äußerungen über die Rechtsextremisten zu weit gegangen ist. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sagte bei der Verhandlung, er halte die Annahme für einen "Kurzschluss", dass der Bundespräsident hier besonders zurückhaltend agieren müsse. Wenn es darum gehe, sich schützend vor die Verfassung zu stellen, sollte er sich auch in sehr pointierter, ironischer oder humorvoller Art äußern dürfen.

Gauck hatte bei einer Veranstaltung vor Schülern in Berlin Proteste gegen die NPD begrüßt. Die rechtsextreme Partei ist der Auffassung, Gauck habe damit seine Pflicht zur parteipolitischen Neutralität verletzt. Das Gericht will nun grundsätzlich klären, wie weit das Staatsoberhaupt in Reden, Interviews und Gesprächen gehen darf.

"Der Bundespräsident muss und darf das sagen, was ihm wichtig ist, auch wenn er damit im Gegensatz zu einer politischen Partei steht", sagte Gaucks Prozessvertreter Joachim Wieland in der mündlichen Verhandlung. Der Präsident stelle sich schützend vor die Werte der Verfassung. "Wo diese Werte angegriffen werden, kann er nicht neutral sein."

Gauck selbst erschien nicht in Karlsruhe, doch zum Abschluss der Verhandlung verlas Staatssekretär David Gill eine Erklärung in seinem Namen. Das Amt des Bundespräsidenten könne "nur gelingen, wenn der Bundespräsident Werte und Positionen, deren Grundlagen in unserer Verfassung liegen, offen formulieren und verteidigen kann", heißt es darin. "Der Bundespräsident wirkt durch das Wort."

Erste Klage wegen einer Wortwahl

Peter Richter vertritt die NPD in dem Prozess.

Peter Richter vertritt die NPD in dem Prozess.

(Foto: dpa)

Gauck hatte Ende August auf wochenlange, von der NPD unterstützte ausländerfeindliche Proteste gegen ein Asylbewerberheim in Berlin reagiert und die Gegendemonstranten unterstützt. Vor rund 400 Schülern in Berlin sagte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler: "Wir brauchen Bürger, die auf die Straße gehen, die den Spinnern ihre Grenzen aufweisen. Und dazu sind Sie alle aufgefordert." Auf die Frage, was er von einem Verbotsverfahren gegen die NPD halte, sagte Gauck unter anderem: "Wir können die Partei verbieten, aber die Spinner und die Ideologen und die Fanatiker die haben wir dann nicht aus der Welt geschafft."

Die NPD ist der Ansicht, Gauck habe damit die Grenzen parteipolitischer Neutralität überschritten und sich unzulässiger Weise in den Wahlkampf eingemischt. Es ist das erste Mal, dass ein Staatsoberhaupt wegen seiner Wortwahl verklagt worden ist.

Der Bundespräsident sei eine Integrationsfigur, sagte NPD-Anwalt Peter Richter. Wenn er gesellschaftliche Themen aufgreife, müsse er sachlich bleiben. Gauck habe hier jedoch die erforderliche sachliche Ebene verlassen und die NPD und ihre Anhänger kurz vor der Bundestagswahl direkt angegriffen und verunglimpft. "Das geht in Richtung Schmähkritik", meinte Richter.

Die Verfassungshüter wollen Voßkuhle zufolge nun ausloten, wo die Grenzen der Äußerungsbefugnisse des Bundespräsidenten im politischen Meinungskampf liegen: Deutschland habe mit seinen Bundespräsidenten immer großes Glück gehabt. Es könnte aber mal "einen geben, der anders agiert, als wir es gewohnt sind" und etwa als Parteipolitiker handeln, sagte Voßkuhle. Mit einem Urteil ist in einigen Monaten zu rechnen.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP

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