Politik

Scharfe internationale Kritik Karsai stoppt Ehe-Gesetz

Nach heftiger internationaler Kritik hat Afghanistans Präsident Hamid Karsai ein neues Gesetz zunächst gestoppt, das Ehemännern weitreichende Verfügungsgewalt über ihre Frauen bis hin zur Vergewaltigung einräumen soll. US-Präsident Barack Obama sagte beim NATO-Gipfel in Straßburg, das Regelwerk sei nicht zu akzeptieren. Zwar müsse man lokale Kulturen achten, aber es gebe weltweit gültige Grundsätze. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte den Entwurf unakzeptabel und betonte: "Wir kämpfen dafür, dass alle Menschen in Afghanistan die gleichen Rechte haben."

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier intervenierte telefonisch bei seinem afghanischen Kollegen Rangin Dadfar Spanta. Wie das Auswärtige Amt mitteilte, leitete Karsai nach den Worten Spantas eine juristische Überprüfung des Vorhabens ein. Nach dem noch nicht in Kraft getretenen Gesetz sollen Frauen das Haus nur mit Zustimmung ihres Ehemannes verlassen dürfen. Außerdem soll es die Vergewaltigung von Frauen in der Ehe erlauben.

"Wir werden alles dafür tun, dass dieses Gesetz nicht Wirklichkeit wird", sagte Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. "Die internationale Gemeinschaft wird der Regierung Karsai dieses Gesetz nicht durchgehen lassen." Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günther Nooke, forderte als Konsequenz eine Kürzung der Entwicklungshilfe.

Neben der Bundesregierung und den USA kritisierten auch Großbritannien, Kanada, die NATO und die Vereinten Nationen das Vorhaben. Die Bedenken müssten bis ganz nach oben getragen werden, forderte der britische Verteidigungsminister John Hutton in der BBC. "Die afghanische Regierung muss die internationalen Abmachungen einhalten, die sie bereitwillig eingegangen ist."

Festgeschriebene Rückständigkeit

Nach den im Westen vorliegenden Übersetzungen des Gesetzes wäre eine Ehefrau verpflichtet, den sexuellen Bedürfnissen ihres Mannes jederzeit nachzukommen: In Artikel 132 heißt es: "Eine Frau ist dazu verpflichtet, die sexuellen Wünsche ihres Ehemannes zu erfüllen." Zudem soll sie sich schminken, wenn ihr Mann dies verlangt. Wenn der Mann nicht auf Reisen sei, habe er mindestens jede vierte Nacht das Recht auf Geschlechtsverkehr mit seiner Frau. Artikel 137 zufolge darf eine Frau im Fall des Todes ihres Mannes nichts von diesem erben.

Zudem müssten Frauen sich bis auf bestimmte Ausnahmen die Erlaubnis des Ehemannes einholen, wenn sie das Haus verlassen wollten. Änderungen an dem Gesetz sehen vor, dass eine Frau alleine das Haus verlassen darf, um zum Arzt, zur Arbeit oder zu Bildungseinrichtungen zu gehen. Zudem wurde das Mindestheiratsalter für Frauen demnach von neun auf 16 Jahre angehoben.

Karsai verteidigt das Gesetz

Karsai verteidigte unterdessen das Vorhaben. "Wir verstehen die Bedenken unserer Verbündeten in der internationalen Gemeinschaft. Diese sind eventuell auf eine inadäquate oder nicht so gute Übersetzung des Gesetzes zurückzuführen oder auf eine Fehlinterpretation", sagte Karsai. Eine ihm vorliegende Kopie habe die Sorgen aber nicht widergespiegelt. Der Justizminister werde Einzelheiten des Gesetzes nach "sehr, sehr sorgfältiger" Prüfung am Sonntag vorstellen. Falls dabei Zweifel entstünden, werde es zurück ans Parlament geleitet, sagte er weiter. Karsai hat das Gesetz schon unterzeichnet. Es war aber noch nicht in Kraft getreten, weil es bislang in keinem offiziellen Amtsblatt veröffentlicht worden ist.

Forderungen der schiitischen Kleriker akzeptiert

Ein hoher schiitischer Kleriker, Hajatullah Scheich Mohammad Asif Mohsini, verteidigte das Gesetz. "Die Medien kritisieren, dass eine Frau sich nicht gegen Sex wehren darf. Das ist nicht wahr. Bei klaren und vernünftigen Gründen oder indem sie ihren Ehemann um Erlaubnis fragt, kann sie dies durchaus."

Nach Angaben eines schiitischen Abgeordneten wurde die ursprüngliche Fassung des Gesetzes geändert. In der Neufassung heiße es nunmehr, dass eine Ehefrau "auf Grundlage rechtmäßiger und logischer Entschuldigungen oder mit Erlaubnis ihres Mannes" Sex in der Ehe verweigern könne. In der Ursprungsfassung hatte es geheißen: "Die Ehefrau trägt die Verantwortung für die sexuelle Befriedigung ihres Mannes."

Die Abgeordnete Schinkai Karochail erklärte, Karsai habe ganz offensichtlich versucht, sich vor der Präsidentschaftswahl im August die Stimmen der schiitischen Minderheit zu sichern. Er habe deshalb einfach die Forderungen der schiitischen Kleriker akzeptiert. Die Schiiten stellen etwa 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung. Die französische Staatssekretärin für Menschenrechte Rama Yade sagte in Anspielung auf die Taliban-Herrschaft, es erinnere an die dunkelsten Zeiten der afghanischen Geschichte.

Quelle: ntv.de

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