Kritik von Wahlbeobachtern Tokajew gewinnt Präsidentschaftswahl in Kasachstan
22.11.2022, 10:54 Uhr (aktualisiert)
Ein Ergebnis fast wie zu Sowjetzeiten: Nach Angaben der Wahlkommission erhält Tokajew mehr als 80 Prozent der Stimmen.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Das Ergebnis erinnert an alte Tage: In Kasachstan gewinnt Amtsinhaber Tokajew die Wahlen gegen fünf weitgehend unbekannte Kandidaten. Wahlbeobachter äußern Kritik an der Abstimmung, kritische Demonstranten werden festgenommen. Der künftige Kurs Tokajews ist noch unklar.
Bei der Präsidentschaftswahl in Kasachstan ist der Amtsinhaber Kassym-Schomart Tokajew vorläufigen Ergebnissen zufolge klar wiedergewählt worden. Der 69-Jährige erhielt nach Angaben der Wahlkommission von Montag 81,31 Prozent der Stimmen. Gegen den Präsidenten waren fünf weitgehend unbekannte Kandidaten angetreten.
Die Wahl war ursprünglich für 2024 angesetzt, im September verkündete der Staatschef den vorgezogenen Wahltermin. Tokajew hatte 2019 die Nachfolge des langjährigen Präsidenten Nursultan Nasarbajew angetreten, der Kasachstan fast drei Jahrzehnte lang mit eiserner Faust regiert hatte. Zum Jahresbeginn 2022 brach Tokajew aber mit Nasarbajew.
Am Sonntag wurden rund 15 Demonstranten festgenommen, die in Almaty freie und faire Wahlen forderten. Vor der Wahl hatten auch Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Kritik an der Organisation der Abstimmung geäußert. Wähler machten vor den Wahllokalen in den Städten Astana und Almaty Selfies. Viele von ihnen sagten, ein solches Foto müssten sie am Montag an ihren Arbeitsplätzen vorzeigen.
Nasarbajew war der erste, der Tokajew für seine Wiederwahl gratulierte. Der Sieg sei ein "unbestreitbarer Beweis für das unerschütterliche Vertrauen des Volkes" in dessen Reformen, erklärte der frühere Präsident und lobte Tokajews Haltung in einer für das Land "kritischen Zeit".
Hunderte Tote nach Protesten in Kasachstan
In der rohstoffreichen Ex-Sowjetrepublik hatte es Anfang Januar massive Proteste gegen gestiegene Gaspreise gegeben. Später weiteten sich die Proteste zu regierungskritischen Demonstrationen im ganzen Land aus. Die Proteste wurden auch mithilfe Moskaus blutig niedergeschlagen, 238 Menschen wurden getötet, es gab rund 10.000 Festnahmen.
Tokajew sieht sich Machtkämpfen mit dem Clan des früheren Machthabers Nasarbajew gegenüber. Zudem ist er auf Distanz zu Russlands Präsident Wladimir Putin gegangen, denn Tokajew lehnt den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ab. Das zentralasiatische Land mit Grenzen unter anderem zu China und Russland ist in den vergangenen Monaten nicht zuletzt wegen seiner Ölvorkommen auch von Europa stärker umworben worden.
Welchen Kurs Tokajew in Zukunft verfolgen wird, ist unklar. Im Wahlkampf hatte Tokajew ein "Neues Kasachstan" mit demokratischen Fortschritten und wirtschaftlichen Reformen versprochen. Allerdings dauern die Wirtschaftsprobleme in dem größten Land Zentralasiens an, ebenso wie die autoritären Reflexe der Führung.
In seiner Amtszeit hat Tokajew Verfassungsänderungen durchgesetzt, die unter anderem seine eigene Regierungszeit auf zwei Amtszeiten beschränken sollen. Er hat außerdem zugesagt, die Einkommensungleichheit im Land zu verringern, indem er gegen Korruption vorgehen und den Reichtum des Landes gerechter verteilten will. Am Sonntag erklärte Tokajew, er werde den Umbau des politischen Systems fortsetzen und 2023 vorgezogene Parlamentswahlen ansetzen. Tokajew hat Reformen eingeleitet, die die Gründung neuer politischer Parteien erleichtern sollen.
(Dieser Artikel wurde am Montag, 21. November 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, ghö/AFP/rts