Politik

Ärzte schlagen Alarm Kassen halten gegen

Deutschlands Ärzte schlagen vier Monate vor der Bundestagswahl Alarm. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warnte vor dem Kollaps des derzeitigen Systems, das jedem Versicherten die freie Auswahl seiner Ärzte ermöglicht. Die Bundesärztekammer trommelte kurz vor dem Ärztetag (19. bis 22. Mai in Mainz) für völlig neue Regeln: Die Krankenkassen sollten wenigstens nicht mehr zulasten Schwerstkranker sparen, wie es heute der Fall sei. Der Marburger Bund als Vertreter der Krankenhausärzte klagte über zu wenig Mittel für aktuelle Medizin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die Gesundheitsreform und die neue Honorarordnung für Ärzte.

Die Vorsitzende des Kassen-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, sagte in Berlin: "Es sollte nicht übersehen werden, dass die niedergelassenen Ärzte trotz einer historischen Wirtschaftskrise eine gewaltige Honorarsteigerung bekommen." Für Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe ist die Aufstockung auf 30,5 Milliarden Euro 2009 dagegen ein "Tropfen auf den heißen Stein". Merkel sagte in RTL, nach ihrem Eindruck gebe es zurzeit einen Kampf zwischen den einzelnen medizinischen Disziplinen ums Geld. Die Bundesregierung habe drei Milliarden Euro mehr ins Gesundheitssystem gegeben. Trotzdem seien viele Ärzte unzufrieden. Das könne nicht sein.

Höherer Steuerzuschuss

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) schloss nicht aus, dass der Steuerzuschuss zum Gesundheitsfonds in diesem Jahr wegen der wachsenden Arbeitslosigkeit höher als knapp drei Milliarden Euro ausfallen könnte. Die Regierung werde im Nachtragshaushalt für einen ausreichenden Rahmen sorgen, sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Schmidt wollte auch nicht garantieren, dass der Beitragssatz zur Krankenversicherung, der im Juli von heute 15,5 auf 14,9 Prozent gesenkt wird, im nächsten Jahr konstant bleibe.

Mit Warnungen vor wachsenden Lücken in der Versorgung mit Medizin stimmt die KBV auf ihre Vertreterversammlung am Montag in Mainz zum Start der ärztepolitischen Woche ein. Funktionsunfähigkeit drohe, weil immer mehr Kassen und Ärztegruppen eigene Behandlungsverträge schließen. KBV-Chef Andreas Köhler sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag), mit den Hausarztverträgen in Baden-Württemberg und Bayern klafften bereits zwei riesige Löcher im Sicherheitsnetz.

Der Hausärzteverband will gestützt durch den Gesetzgeber diese Verträge bis Sommer an der KBV vorbei abschließen. Der Spitzenverband der Kassen wies die Bedenken gegen die Hausarztverträge zurück. "Wenn sich einzelne Ärztegruppen und Krankenkassen auf zusätzliche Versorgungsverträge verständigen, dann ist dies keine Gefahr, sondern eine Bereicherung für die Versorgung der Versicherten", erklärte Sprecher Florian Lanz.

Ärztetag ohne Schmidt

Mit dem Ärztetag beginnt am Dienstag das letzte Großereignis der Gesundheitspolitik vor der Bundestagswahl am 27. September. Wegen einer internationalen Konferenz zur Schweinegrippe nimmt Ministerin Schmidt erstmals nicht teil.

Hoppe sagte der "Berliner Zeitung": "Wir erleben Rationierung in mannigfacher Form." Bei Krebspatienten fielen Therapien etwa gegen Übelkeit oft unter den Tisch, sagte er der "Rheinischen Post". Gespart werde auch bei Kassenpatienten mit Demenz oder Multipler Sklerose. Ein Gesundheitsrat solle dem Gesetzgeber anhand von Dringlichkeit vorschlagen, was die Kassen noch bezahlen, sagte Hoppe. "Kriterien können sein, ob eine Krankheit lebensbedrohlich ist, ob es einen hohen Leidensdruck gibt und ob andere Menschen gefährdet sind."

Ministerin Schmidt erteilte Forderungen nach neuen Prioritäten bei der medizinischen Versorgung eine Absage. Ein Gesundheitsrat sei überflüssig, sagte sie der in Weiden erscheinenden Zeitung "Der neue Tag".

Die Krankenkassen stemmen sich gegen die Ärzte-Forderungen. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Ärztevertreter gleichzeitig über mehr Honorar für die Ärzte und Leistungskürzungen und Zuzahlungserhöhungen für die Versicherten reden", sagte die Spitzenverbandes-Chefin Pfeiffer. "Die gute Versorgung der Patientinnen und Patienten gehört in das Zentrum der Debatte und nicht Arzthonorare oder Spekulationen über Leistungskürzungen."

Quelle: ntv.de

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