Die Krise stärkt den Separatismus Katalonien droht Madrid
28.09.2012, 15:46 Uhr
(Foto: REUTERS)
In der spanischen Region Katalonien wird angesichts der Wirtschaftkrise der Ruf nach Unabhängigkeit immer lauter. Regierungschef Mas zieht die regionalen Parlamentswahlen vor und kündigt ein Referendum an. Dabei geht es vor allem um ein Thema: Geld.
Das Verhältnis zwischen Katalonien und der spanischen Zentralregierung ist traditionell schlecht. Seit Jahrzehnten kämpft die autonome Region um mehr Autonomie. Doch die Wirtschaftskrise verstärkt die Ressentiments gegenüber Madrid und sorgt dafür, dass die Forderung nach Unabhängigkeit von Spanien immer lauter wird.
Viele Katalanen sind der Meinung, dass zu viele ihrer Steuern nach Madrid fließen – während ihre Region aus Geldnot gezwungen ist, Beschäftigte zu entlassen und Leistungen zu kürzen. Wie viel mehr Geld aus Katalonien an den Zentralstaat geht als es Leistungen – etwa über Schulen, Krankenhäuser und Infrastruktur - bekommt, ist allerdings umstritten.
Katalonien hat mit 7,6 Millionen Menschen mehr Einwohner als Dänemark oder Finnland, flächenmäßig ist es etwa so groß wie Belgien. Katalonien ist die wirtschaftliche stärkste und wohlhabendste Region Spaniens, musste die Zentralregierung im August aber um Finanzhilfen von gut fünf Milliarden Euro bitten, um seinen Finanzbedarf zu decken.
Regierungschef Artur Mas wirft der Zentralregierung vor, Katalonien in diese Lage gebracht zu haben, da sie mehr Geld nach Madrid abführe als sie Leistungen zurückerhalte. Katalonien ist die Region mit dem höchsten Schuldenberg; er beläuft sich auf rund 42 Milliarden Euro, das entspricht 21 Prozent der Wirtschaftleistung. An den Kapitalmärkten kann sich Katalonien nicht refinanzieren, da Ratingagenturen die Bonität mit "Ramsch" bewerten.
Separatisten gewinnen an Zulauf
Katalonien war zwar schon immer auf mehr Eigenständigkeit aus, aber Separatisten waren bislang eindeutig in der Minderheit. Das hat sich geändert. Mitte September demonstrierten in Barcelona Hunderttausende für eine Loslösung von Spanien; einer Umfrage zufolge ist eine knappe Mehrheit der Katalanen für die Unabhängigkeit. Diese Zahl ist in den vergangenen Jahren angesichts von Rezession und Rekordarbeitslosigkeit stetig gewachsen.
Mas schürt diese Stimmung: Er hat die regionale Parlamentswahl um zwei Jahre auf den 15. November vorgezogen und angekündigt, danach eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit der Region von Spanien abhalten zu lassen.
Die Regierung in Madrid will ein solches Referendum verhindern. Es gebe dafür ausreichend Mittel, sagte Vize-Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría. "Und die Regierung ist bereit, diese Mittel einzusetzen." Der spanischen Verfassung zufolge darf nur der Zentralstaat Volksabstimmungen abhalten. Die Gründung eines katalanischen Staates müsste nicht nur von den Katalanen, sondern auch von den Spaniern insgesamt gebilligt werden.
Spiel mit dem Feuer
Doch Mas gibt sich entschlossen. "Wenn das Referendum mit Zustimmung der spanischen Regierung stattfinden kann, umso besser", sagt er. Wenn Madrid dagegen sei, werde trotzdem abgestimmt. Mas meidet das Wort "Unabhängigkeit" nach Möglichkeit und spricht stattdessen lieber von "Loslösung" oder "Eigenständigkeit" – was im Prinzip das Gleiche ist. Die Region wolle einen eigenen Staat bilden, betont der Regierungschef. Dieser werde dann souverän entscheiden, in welcher Form er mit Spanien verbunden bleiben möchte. "Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie dieser Prozess am Ende ausgehen wird."
Und genau darin liegt eine große Gefahr. "Nun will Mas bei den anstehenden Neuwahlen aus der Separatismus-Welle für sich politisches Kapital schlagen", schreibt die Zeitung "El País". Er benutze seine Machtstellung, um noch mehr Macht zu erlangen. "Er weiß genau, dass er keine illegalen Schritte unternehmen darf. Sein Vorhaben, ein Referendum abzuhalten, hat eindeutig einen wahlpolitischen Hintergrund und verschärft ernsthaft die Spannungen in der spanischen Gesellschaft."
Derweil hält Mas an seinem Kurs fest. "Es ist die Zeit gekommen, dass Katalonien sein Recht auf Selbstbestimmung ausüben darf", behauptet er. "Das Volk muss entscheiden, wer es in die neue Etappe führen soll und mit welcher Macht der Umbruch vollzogen wird."
Juan Carlos warnt
Auslöser des Ganzen ist eine Abfuhr, die Spaniens Premier Mariano Rajoy Mas erteilt hatte. Der katalanische Regierungschef hatte mehr Autonomie in der Haushaltspolitik gefordert und dabei ein unabhängiges Steuersystem verlangt. Rajoy lehnte das mit Hinweis auf die spanische Verfassung ab. Mas gab sich entrüstet. "Ich glaube, es wurde eine historische Gelegenheit in der Verständigung zwischen Katalonien und dem Rest Spaniens verpasst", sagte er nach dem Treffen in Madrid. Zuvor hatte er gewarnt, dass "Kataloniens Weg in die Freiheit sich öffnen wird", wenn Madrid und Barcelona keine Einigung über einen Fiskalpakt erzielten.
Der zunehmende Separatismus bereitet nicht nur dem Zentralstaat erhebliche Sorgen. König Juan Carlos rief die Spanier im Kampf gegen die Krise zur Einheit auf und warnte davor, sich irgendwelchen "Hirngespinsten" zuzuwenden. Neben den Katalanen streben auch die Basken nach mehr Eigenständigkeit. Am 21. Oktober wählen diese ein neues Parlament und könnten dann nach Umfragen dem separatistischen Bündnis Bildu zu einem Triumph verhelfen.
Quelle: ntv.de, mit rts/dpa/AFP