Im Land von Gas, Hightech und großen Ambitionen Katars Scheich übergibt die Macht
25.06.2013, 13:03 Uhr
Blick auf die Skyline von Katars Hauptstadt Doha.
(Foto: picture alliance / dpa)
Das Land ist winzig - und doch spielt Katar eine immer größere Rolle in der internationalen Politik. Politiker aus aller Welt hofieren den Golfstaat, der über enorme Mengen an Flüssiggas verfügt. Nun gibt es an der Spitze des Landes einen historischen Machtwechsel. Was bedeutet das für die Region?
Nach 18 Jahren an der Spitze des reichen Golfstaats Katar hat Emir Scheich Hamad ben Chalifa al-Thani abgedankt und die Macht an seinen Sohn übergeben. "Die Zeit ist gekommen, ein neues Kapitel aufzuschlagen", sagte der 61-jährige Monarch in einer Fernsehansprache. Es ist das erste Mal in der jüngeren Geschichte der arabischen Welt, dass ein Herrscher freiwillig die Macht übergibt. Sie hat nun der 33-jährige bisherige Kronprinz Scheich Tamim ben Hamad al-Chalifa inne.
"Söhne von Katar, ich hoffe, ich habe meine Verantwortung erfolgreich gelebt", sagte Scheich Hamad in seiner Rede an die Nation. Nun wolle er "die Verantwortung an die neue Generation übergeben". Scheich Hamad leidet an Nierenproblemen, nach Einschätzung von Diplomaten waren gesundheitliche Gründe aber nicht ausschlaggebend für die Entscheidung zur Machtübergabe.
Nach der Rede zeigte das Fernsehen Bilder von katarischen Bürgern, die zum Palast in der Hauptstadt Doha kamen, um dem neuen Monarchen ihre Treue zu schwören. Vater und Sohn standen Seite an Seite und begrüßten die Menge lächelnd. Der heutige Dienstag wurde zum offiziellen Feiertag erklärt.
Vizekommandeur der Streitkräfte
Scheich Tamim, der im Jahr 1980 geboren wurde, ist der zweite Sohn des Emirs mit dessen zweiter Frau Scheicha Mosa. Der in der britischen Militärakademie Sandhurst ausgebildete Offizier war bislang Vizekommandeur der Streitkräfte. Zudem leitete er zuletzt das Olympische Komitee und das Gremium, das für die Organisation der Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2022 verantwortlich ist.
An der typisch katarischen Mischung aus Hightech, großen politischen Ambitionen und islamisch-konservativem Missionierungseifer wird der Generationswechsel in Katar wahrscheinlich nichts ändern. Es wird erwartet, dass Scheich Hamad auch weiterhin eine einflussreiche Rolle im Hintergrund behält und sich insbesondere um die Auslandsinvestitionen kümmert.
Mischung aus Hightech und Ambitionen
Im Nahen Osten spielt Katar eine immer wichtigere Rolle und nimmt dabei über Exporte, Investitionen, Waffenlieferung und humanitäre Hilfe Einfluss. Sicherheitspolitisch stützt sich der Emir von Katar zwar fast ausschließlich auf die USA, die in seinem Kleinstaat einen Militärstützpunkt unterhalten. Als aufstrebende Regionalmacht, deren Ambitionen von Nordafrika bis an den Hindukusch reichen, agiert die katarische Führung jedoch politisch weitgehend unabhängig.
Sie unterstützt die bürgerlich-islamistische Bewegung der Muslimbrüder in mehreren arabischen Staaten mit Geld und durch die wohlwollende Art der Berichterstattung des Fernsehsenders Al-Dschasira, der in Doha beheimatet ist und großen Einfluss in der Region hat. Katar liefert zudem Waffen an syrische Rebellen, betreibt islamisch geprägte Schulen in Mali und engagiert sich für einen Frieden in der sudanesischen Konfliktregion Darfur.

Scheichs beim Hunderennen in der Wüste.
(Foto: REUTERS)
Scheich Hamad hat viele Millionen in den palästinensischen Gazastreifen gepumpt. Dass er und seine Frau - die schillernde Scheicha Mosa - im vergangenen Oktober die islamistische Hamas-Regierung in Gaza durch einen "Staatsbesuch" aufwerteten, kam bei den politischen Rivalen der Hamas nicht gut an. Als die von den Muslimbrüdern dominierte neue ägyptische Führung im Frühjahr wegen sinkender Einnahmen und fehlender Investitionen in Bedrängnis geriet, eilte Scheich Hamad bin Dschasim al-Thani mit einem neuen Milliarden-Kredit im Gepäck zu Präsident Mohammed Mursi.
Doch der wachsende Einfluss der Katarer ist nicht nur das Ergebnis von Geldgeschenken an Rebellen und klamme Regierungen. Als weltgrößter Exporteur von Flüssiggas unterhält der Golfstaat auch enge Handelsbeziehungen zu etlichen Staaten in Asien und Europa. Durch seine Beteiligungen an Firmen wie Volkswagen, Credit Suisse und Barclays ist der staatliche Investitionsfonds von Katar längst ein Akteur geworden, der auch in Europa von Politikern und Konzernchefs hofiert wird.
Monarch kontrolliert Regierung
Während sich Scheich Hamad im Ausland als Förderer von Freiheit und Demokratie gab, regierte er zu Hause mit strikter Hand. Zwar wurde mit der Verfassung aus dem Jahr 2003 die exekutive von der legislativen und der judikativen Gewalt getrennt, doch verbleibt die Regierung unter Kontrolle des Monarchen.
Eine versprochene Parlamentswahl fand bisher nicht statt. Proteste gibt es in dem Land mit etwa zwei Millionen Einwohnern, die Mehrheit davon Gastarbeiter, dennoch nicht. Das Einkommen pro Kopf ist das höchste der Welt.
Die Machtübergabe an einen jungen Sohn ist in den arabischen Monarchien nicht üblich. Nach Ansicht von Beobachtern setzt diese unkonventionelle Entscheidung der Al-Thani-Dynastie jetzt die anderen Herrscherhäuser am Golf unter Druck. Denn dort herrscht überall die Generation der Großväter. Und auch im Golfstaat Katar ist die jüngste Machtübergabe nicht gewöhnlich - hatte doch Scheich Hamad seinen Vater 1995 in einem unblutigen Putsch entmachtet.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP