Attacken zum Abschied Kein Jubel für Stoiber
28.09.2007, 07:57 UhrUnmittelbar vor seinem Rückzug von der Parteispitze hat CSU-Chef Edmund Stoiber von seinen Nachfolgern einen eigenständigen Kurs und ein klares konservatives Profil gefordert. Auf dem CSU-Parteitag in München attackierte Stoiber zudem Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) scharf.
Jubelstürme entfachte Stoiber mit seinen gewohnt markigen Attacken auch gegen die SPD jedoch nicht. Applaus bekam er vor allem bei kritischen Anspielungen auf die Fürther Landrätin Gabriele Pauli, die Stoibers Demontage vor gut einem Jahr in Gang gesetzt hatte und sich am Samstag für den CSU-Vorsitz zur Wahl stellt. Pauli selbst blitzte gleich mit zwei Anträgen auf dem Parteitag ab.
Stoiber wurde von den rund 1.000 Delegierten überraschend kühl empfangen. Zahlreiche Delegierte setzten ihre Gespräche auch während seiner Rede ungerührt fort. Viele zeigten sich anschließend enttäuscht von seinem Auftritt.
"Affront gegen die Freiheit"
"Die SPD ist kopflos und zerstritten", rief Stoiber den Zuhörern zu. Sie kapituliere vor der Linkspartei und verkaufe ihre Seele an den Linken-Chef Oskar Lafontaine. "Und eine neue ist hier nicht in Sicht." Im Entwurf für das neue Parteiprogramm huldige die SPD dem demokratischen Sozialismus und beziehe sich sogar auf Karl Marx. "Das ist ein Affront gegen die Freiheit." SPD und Linkspartei seien "Parteien einer sozialistischen Staatsgläubigkeit und Umverteilungsideologie".
Auch FDP und Grüne, die in Teilen der CDU bereits als mögliche Koalitionspartner gehandelt werden, bekamen ihr Fett weg. Der FDP warf Stoiber Marktliberalismus und den Grünen Führungschaos in der Frage der Bundeswehr-Einsätze in Afghanistan vor. "Mit diesen Grünen kann man keine Politik für Deutschland machen", rief er. "Heute nicht und morgen nicht!"
Für Herdprämie, gegen Moscheen
Im Streit um das von der CSU geforderte Betreuungsgeld für Eltern kleiner Kinder griff Stoiber die Familienministerin frontal an: "Ich lasse nicht zu, dass das Betreuungsgeld von der Familienministerin diffamiert wird als bildungspolitische Katastrophe." Die CSU fordert neben dem Krippenausbau ein Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zuhause erziehen.
Stoiber forderte eine Besinnung auf die christlichen Wurzeln. Moscheen dürften in Deutschland nicht höher sein als Kathedralen. Darüber hinaus bekräftigte Stoiber bekannte Forderungen nach Betreuungsgeld, Leitkultur, Wehrpflicht und Online-Durchsuchung. Ins Rennen um seine Nachfolge als CSU-Chef mischte er sich nur mit Kritik an Pauli ein, die zuletzt mit Vorschlägen für eine Ehe-Befristung für Wirbel gesorgt hatte: "Die CSU ist kein Happening. Sie wird durch Inhalte zusammengehalten und nicht durch Show", sagte er.
Keine Stimme für Pauli
Pauli scheiterte später mit einem Antrag für eine Abkehr vom traditionellen Familienbild der CSU und einem weiteren Antrag zur EU-Mitgliedschaft der Türkei. Sie hatte erreichen wollen, dass die CSU im neuen Grundsatzprogramm unter Familie künftig alle Lebensgemeinschaften versteht, in denen Kinder aufwachsen.
Die Aussage "Eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU lehnt die CSU ab" wollte sie mit dem Zusatz "in der jetzigen Situation" abmildern. Für beide Anträge gab es nur eine einzige Stimme: ihre eigene. Pauli gab sich unbeeindruckt. "Meine Kandidatur ist ein Signal für Umbruch und Erneuerung."
"Vom Freistaat lernen"
Am Abend sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CSU-Parteitag. Sie würdigte Stoibers politische Lebensleistung. "Die Deutschen können vom Freistaat lernen", sagte Merkel. Stoiber habe von Anfang an gestaltet und dabei stets einen "ganz klaren Blick für Herausforderungen" bewiesen.
Merkel machte sich zudem für die Transrapid-Strecke in München stark. "Dein letzter Schachzug, lieber Edmund, das war der Transrapid." Über das Betreuungsgeld will Merkel erst nach dem bis 2013 vereinbarten Krippenausbau verhandeln. "Das ist die nächste Etappe, zu der stehen wir genauso wie zu dem Ausbau der Kinderbetreuung unter drei Jahren."
Stoiber wird Ehrenvorsitzender
Die Wahl des Parteivorsitzenden steht am Samstagmittag auf dem Programm. Für die CSU ist es die größte Zäsur seit dem Tod des früheren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß 1988. Die besten Chancen für den Parteivorsitz hat Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber. Auch der Mitbewerber, Bundesagrarminister Horst Seehofer, sagte: "Der Erwin Huber ist Favorit."
Neuer bayerischer Ministerpräsident soll am 9. Oktober der bisherige Innenminister Günther Beckstein werden. Stoiber, der an diesem Freitag 66 Jahre alt wurde, soll voraussichtlich noch vor der Wahl des neuen Parteichefs am Samstag zum dritten Ehrenvorsitzenden der CSU gekürt werden.
Neues Grundsatzprogramm
Das neue Grundsatzprogramm wurde von den Delegierten einstimmig verabschiedet. Leitbild soll eine "solidarische Leistungsgesellschaft" sein, in der die Eigenverantwortung der Bürger Vorrang hat. Schwächere sollen sich aber auf die Solidarität der Gesellschaft verlassen können. Neu ist eine stärkere Betonung des Klima- und Umweltschutzes.
Quelle: ntv.de