Politik

Überraschungen sind möglich Kein Schwarz-Gelb in Kiel?

Strotzend vor Selbstbewusstsein hat die schleswig- holsteinische CDU ihren Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen Mitte Juli zum Bruch der Koalition mit der SPD getrieben. Ein Sieg für Schwarz-Gelb bei der Neuwahl am 27. September schien für sie nur noch Formsache - das ist vorbei. Euphorie über die Trennung von der SPD mit dem verhassten Vorsitzenden und Fraktionschef Ralf Stegner ist im CDU-Lager eineinhalb Wochen vor der Abstimmung im Schatten der Bundestagswahl bangem Hoffen gewichen. Nach den Landtagswahlen in Thüringen und im Saarland wirken auch Umfragen als Stimmungsdämpfer.

Carstensen kann sich seines Wahlsieges nicht mehr sicher sein.

Carstensen kann sich seines Wahlsieges nicht mehr sicher sein.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Auf 47 Prozent kamen CDU (33) und FDP (14) zuletzt, 49 verbucht die versammelte Konkurrenz aus SPD (25), Grünen (13), Linken (6) und Südschleswigschem Wählerverband (SSW/5). Das sind bittere Werte für die großen Parteien: Bei der Wahl vor vier Jahren schaffte die CDU noch 40,2 Prozent, die SPD blieb mit 38,7 Prozent knapp darunter (2005: FDP 6,6; Grüne 6,2; SSW 3,6). Obwohl CDU/FDP nach der jüngsten Infratest-dimap-Umfrage prozentual keine Mehrheit hätten, würde es bei den Mandaten für ein solches Bündnis knapp reichen.

2005 stand erst in der Nacht das Scheitern von Schwarz-Gelb fest: Hätte die FDP 745 Stimmen mehr bekommen, wäre das letzte Mandat an sie gegangen und nicht an die SPD. Statt Schwarz-Gelb lag Rot-Grün plus SSW mit einem Sitz vorn. Die Mini-Mehrheit scheiterte dann, als jemand aus den eigenen Reihen Heide Simonis (SPD) viermal bei der Ministerpräsidenten-Wahl die Stimme verweigerte. Das Fiasko mündete in die Große Koalition, die ordentlich begann und sich dann zunehmend zerstörte. Carstensen und Stegner verbissen sich derart miteinander, dass nichts mehr ging.

Wieviel Minus können sich die Kandidaten leisten?

Die zunehmende Ungewissheit über den Wahlausgang heizt nicht nur Koalitionsspekulationen an. Mit sechs Parteien im Parlament würde vieles möglich. Auch die Frage, wie schlecht die Ergebnisse sein dürfen, bis die Spitzenkandidaten Carstensen (62) und Stegner (49) infrage gestellt werden, wird diskutiert. Sie könnte bei Carstensen hochkochen, wenn die CDU auf 30 Prozent stürzen sollte. Maßstab für Stegner ist nicht nur das Abschneiden gegenüber der Konkurrenz, sondern auch der Vergleich zur Bundespartei: Zu Simonis' Zeiten lagen die Genossen im Norden vier bis fünf Punkte über der Gesamt-SPD.

Vieles spricht dafür, dass Carstensen die Art und Weise Stimmen kosten wird, wie die Entlassung der SPD-Minister von einem Tag auf den anderen ablief. Fernsehbilder von der langjährigen Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave beim Räumen ihres Arbeitszimmers blieben haften. Die 62-Jährige fühlte sich wie eine "Eierdiebin" vom Hof gejagt; seine Entscheidung teilte der Ministerpräsident seiner Stellvertreterin nicht persönlich mit. So etwas kann für manchen eine größere Rolle spielen als die Krise der HSH Nordbank, die Energiepolitik samt Zukunft des Pannenreaktors Krümmel, Bildungspolitik oder die desolate Haushaltslage des mit 23 Milliarden Euro verschuldeten Landes.

Schlüsselrolle für SSW möglich

Beim Thema Koalition hatte Schwarz-Gelb in Umfragen stets die Nase vorn, doch die jüngste Umfrage offenbarte eine Überraschung: 43 Prozent bevorzugen eine von der SPD-geführte Regierung, 41 Prozent wollen die CDU als Nr. 1 behalten - ein kräftiger Nackenschlag für die CDU. Der SSW als Partei der dänischen Minderheit - von der Fünf- Prozent-Klausel befreit und zum Regieren bereit - könnte eine Koalition von CDU und FDP oder CDU und Grünen komplettieren. Dafür müsste die CDU aber nicht einfach zu erfüllende Bedingungen erfüllen. Auch die SPD setzt auf den SSW, ohne den ein rot-rot-grünes Bündnis keine Chance hat. Die Grünen gehen allerdings ohne Koalitionsaussage in die Wahl, sind inhaltlich aber näher an der SPD als an der CDU - auch wenn Carstensen und Grünen-Landeschef Robert Habeck (40) gut miteinander können. Für die SPD gibt sich Stegner trotz Umfragetiefs zuversichtlich, aus der Opposition herauszukommen. Immerhin hat er in den Persönlichkeitswerten den Rückstand zu Carstensen verringert.

Und einer Vorhersage Stegners wird nicht einmal sein Hauptrivale widersprechen, der sich natürlich ohnehin weiter als Regierungschef sieht: "Ich glaube, Herr Carstensen wird nicht richtig Lust haben, in meiner Regierung zu sein".

Quelle: ntv.de, Wolfgang Schmidt, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen