Politik

Jeder vierte Tote ein Zivilist Keine Feuerpause in Gaza

Bei der seit fünf Tagen anhaltenden Militäroffensive Israelis im Gazastreifen sind bisher mindestens 392 Palästinenser getötet worden. Wie ein Sprecher der Behörde in Gaza weiter mitteilte, wurden zudem 1900 Menschen verwundet. Nach Angaben eines Sprechers des UN-Hilfswerkes für Palästinaflüchtlinge handelt es sich bei mindestens jedem vierten getöteten Palästinenser um einen Zivilisten.

Bei mehr als 250 Raketenangriffen aus dem Gazastreifen sind in Israel nach Armeeangaben bislang vier Personen getötet worden. Weil die Reichweite der Raketen immer größer wird, sind nach Angaben von Polizeisprecher Micky Rosenfeld rund eine Million Menschen durch den Beschuss gefährdet. Alle Schulen im Umkreis von 40 Kilometer um den Gazastreifen bleiben auf Anordnung der israelischen Heimatschutzbehörde geschlossen.

Israel lehnt Waffenstillstand ab

Derweil gehen der Angriffe beider Seiten ungeachtet der weltweiten Forderungen nach einer Waffenruhe weiter. Nach Auffassung Israels sind derzeit die Bedingungen für einen Waffenstillstand nicht gegeben. "Die Regierung hat sich für eine Strategie des Erfolges entschieden", hieß es nach der Sitzung des Sicherheitskabinetts. Sie verfolge das Ziel, "den vom Gazastreifen ausgehenden Terror zu stoppen". Ein Regierungsvertreter sagte: "Wenn wir dieses Ziel erreicht haben, dann werden wir bereit sein, die Möglichkeit eines Waffenstillstands zu diskutieren." Dabei zitierte er Ministerpräsident Ehud Olmert mit den Worten: "Wir haben den Gaza-Einsatz nicht begonnen, nur um ihn - begleitet von denselben Raketenangriffen wie am Anfang - wieder zu beenden." Israel habe in den vergangenen Jahren Zurückhaltung gezeigt und einer Waffenruhe eine Chance gegeben. "Aber die Hamas hat sie gebrochen", zitierte der Regierungsvertreter den Ministerpräsidenten.

Das Sicherheitskabinett hatte in Tel Aviv sechs Stunden lang über die Vorschläge der EU und des Nahostquartetts, bestehend aus den USA, Russland, EU und UNO, debattiert. Ein EU-Diplomat in Israel kündigte für kommende Woche einen Besuch einer EU-Delegation unter Führung des tschechischen Außenministers Karel Schwartzenberg an. Er soll demnach von seinem schwedischen Kollegen Carl Bildt und der EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner begleitet werden. Tschechien übernimmt am Donnerstag für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft.

EU fordert dauerhafte Waffenruhe

Die EU-Außenminister hatten am Dienstagabend in Paris eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe gefordert. Der im Exil in Damaskus lebende Hamas-Anführer Chaled Maschaal erklärte sich nach Angaben des russischen Außenministeriums erneut zu einem Waffenstillstand unter der Bedingung bereit, dass Israel die Blockade des Gazastreifens vollständig aufhebt. In Gaza sagte auch Hamas-Vertreter Aiman Taha: "Wir sind für jede Initiative, die ein sofortiges Ende der Aggression bringt und die Blockade völlig aufhebt."

Abbas stellt Verhandlungen infrage

Unterdessen hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die direkten bilateralen Verhandlungen mit der israelischen Regierung angesichts der Angriffe infrage gestellt. In einer vorab aufgezeichneten TV-Ansprache zum 44. Gründungstag seiner Fatah-Bewegung sagte Abbas am Mittwoch: "Wir werden nicht zögern, (diese Verhandlungen) auszusetzen, wenn sie unsere unveräußerlichen Rechte gefährden oder zum Deckmantel für eine Aggression werden."

Israel und die Palästinenserführung hatten nach der Annapolis- Konferenz im US-Bundesstaat Maryland im November 2007 wieder direkte Verhandlungen mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung aufgenommen.

Abbas ist in den v ergangenen Tagen Zielscheibe heftiger Kritik vieler Araber geworden. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, kritisierte während einer Dringlichkeitssitzung der Außenminister seiner Organisation in Kairo beispielsweise, er verstehe nicht, weshalb Abbas den brutalen Angriffen der israelischen Armee untätig zusehe. "Du bist doch der Präsident aller Palästinenser, tue endlich etwas!", forderte er ihn auf.

Streit in Berlin

Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel stößt mit ihrer klaren Schuldzuweisung für die Eskalation in Nahost an die Hamas bei der SPD auf Kritik. Der Bundestagsabgeordnete und Nahost-Experte Rolf Mützenich sagte dem Radiosender NDR Info: "Ich glaube, dass es gut wäre, wenn die deutsche Regierung hier geschlossen für eine Waffenruhe eintritt. Ich bedaure, dass es durch die Bundeskanzlerin hier eine andere politische Nuance gegeben hat. Es kommt zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht darauf an, über Schuld in diesem Zusammenhang zu diskutieren." Die Menschen brauchten eine Waffenruhe. "Dafür sollten wir uns politisch aktiv einsetzen."

Vize-Regierungssprecher Thomas Steg hatte am Montag gesagt: "Die Bundeskanzlerin legt Wert darauf, dass bei der Beurteilung der Situation im Nahen Osten Ursache und Wirkung nicht vertauscht werden oder Ursache und Wirkung nicht in Vergessenheit geraten." Israel habe das Recht, seine Bevölkerung zu schützen und sein Staatsgebiet zu verteidigen. In ihrer Neujahrsansprache sagte Merkel selbst Ähnliches: Ursache und Wirkung der Kämpfe dürften nicht vergessen werden, so die Kanzlerin und betonte: "Der Terror der Hamas kann nicht akzeptiert werden."

Mützenich stellte "nicht in Frage, dass es richtig ist, dass Israel sich gegen bewaffnete Angriffe der Hamas auch schützt". Die Frage sei aber, was das Ziel der Offensive sei. Die Hamas sei militärisch nicht zu besiegen. "Solange die Waffen nicht schweigen, wird es hier keine Chance für einen politischen Kompromiss irgendeiner Form geben. Deswegen ist die Forderung der EU-Außenminister nach einer Waffenruhe die genau richtige."

Quelle: ntv.de

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