Millionen Stunden Bürokratie Keine Zeit für Pflege
04.02.2008, 16:34 UhrZuviel Bürokratie für pflegende Angehörige und hoher Arbeitsdruck in Kliniken und Heimen belasten die Pflege in Deutschland. Laut einer Erhebung der Bertelsmann Stiftung könnte der Druck für Menschen, die andere zu Hause pflegen, durch weniger Bürokratie um mehr als 20 Prozent sinken. Demnach fallen bei der Betreuung von Pflegebedürftigen insgesamt 6,4 Millionen Stunden pro Jahr für Organisation und Verwaltung an.
So müssen zum Beispiel die Eltern behinderter Kinder pro Person jährlich eine Arbeitswoche für Bürokratie einplanen. Die Gesamtkosten dafür liegen der Studie zufolge bei 2,6 Millionen Euro. Länger gültige Rezepte, ein zentrales Informationsportal und mehr Anlaufstellen könnten den Aufwand um 28 Prozent senken, rechnete die Stiftung vor. Der Studie zufolge gibt es bundesweit 162.000 schwerbehinderte Kinder.
Auch der Aufwand für Angehörige der rund 1,2 Millionen pflegebedürftigen älteren Menschen könnte deutlich sinken - der Studie zufolge um 23 Prozent. Insgesamt koste die Bürokratie jährlich 13,6 Millionen Euro, schreibt die Stiftung.
Der Geschäftsführer des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), Franz Wagner, mahnte höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen in der professionellen Alten- und Krankenpflege an. "Wenn die Pflege nicht stärker anerkannt wird, werden sich nur noch Menschen für eine Ausbildung in dem Bereich interessieren, die sonst nirgends unterkommen", sagte Wagner. Helfer in der Pflege gingen oft mit Niedriglöhnen nach Hause.
Über Jahre hinweg seien die Einkommen bei gleichzeitigem Stellenabbau und steigender Arbeitsbelastung gesunken. "Dort, wo Pflegehelfer sittenwidrig niedrige Löhne erhalten, erwarten wir erkennbare Gehaltssteigerungen", sagte Wagner vor dem Hintergrund der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Die Einführung eines flächendeckenden branchenübergreifenden Mindestlohns könnte nach DBfK-Ansicht spürbare Verbesserungen bringen. Zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern gebe es in Einzelfällen Krankenschwestern, die nur 4,50 Euro verdienen.
In den vergangenen zwölf Jahren seien im Pflegebereich 48 225 Stellen abgebaut worden, sagte Wagner. Bereits heute führe die zunehmende Arbeitsbelastung zu Unter- und Mangelversorgung. "Oft werden Patienten nicht mehr täglich gewaschen, auch können die Pfleger Dementen bei der Nahrungsaufnahme oft nicht die nötige Zuwendung geben." Die Versuchung sei groß, Betroffene durch Magensonden zu ernähren, obwohl sie gefüttert werden könnten.
Quelle: ntv.de