Politik

Edathy war an Koalitionsverhandlungen beteiligt "Keiner aus der SPD hat ihn gewarnt"

Sebastian Edathy - was wusste er, und wo steckt er nun?

Sebastian Edathy - was wusste er, und wo steckt er nun?

(Foto: dpa)

Obwohl der damalige Innenminister die SPD-Spitze informierte, wird Edathy in die Koalitionsverhandlungen miteinbezogen: Ein Zeichen dafür, dass die Parteispitze nicht plauderte? Viele Fragen sind noch offen - auch die nach dem Verbleib Edathys.

Wurde Edathy aus den Reihen der SPD über die Ermittlungen gegen ihn informiert? Fraktionschef Thomas Oppermann hat dies erneut ausgeschlossen. Dem ZDF sagte er, von den Vorwürfen gegen Edathy wegen Kinderpornografie hätten in der Fraktion nur er selbst, Parteichef Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie später Parlamentsgeschäftsführerin Christine Lambrecht gewusst. "Keiner von uns hat diese Information an Sebastian Edathy oder sein Umfeld weitergegeben", versicherte Oppermann.

Auch nach Ansicht der SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi hat niemand aus ihrer Partei Sebastian Edathy vor Ermittlungen wegen Nacktfotos von Kindern gewarnt. "Das kann ich ausschließen", sagte Fahimi. Ein solches Verhalten würde bedeuten, dass die Kumpanei mit Edathy einen höheren Stellenwert hätte, als der Vorwurf, um den es geht. "Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen", sagte sie weiter.

Gegen eine Weitergabe von Informationen spricht, dass Edathy ungeachtet der Warnungen des damaligen Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich an die SPD-Spitze für die Sozialdemokraten an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen hat. Zwar war Edathy von der SPD zunächst nicht berücksichtigt worden, nach einer Absage der Migrationsexpertin Yasemin Karakasoglu war Edathy jedoch für die Unterarbeitsgruppe Integration und Migration nachnominiert worden - vermutlich auf Initiative von SPD-Vize Aydan Özoguz.

Bundestag sucht Diplomatenpass

Unterdessen wurde bekannt, dass Edathy seinen Diplomatenpass noch nicht zurückgegeben hat. Mit der Niederlegung seines Mandats vor zwei Wochen hätte er das eigentlich tun müssen. "Jeder Abgeordnete ist selbst für die Rückgabe verantwortlich", sagte ein Bundestagssprecher der "Bild"-Zeitung. "Davon unabhängig hat die Reisestelle seit Montag versucht, Herrn Edathy zu erreichen. Bisher ohne Erfolg." Der Pass schützt Abgeordnete im Ausland vor Strafverfolgung. Unbestätigten Informationen aus SPD-Kreisen zufolge soll sich Edathy in Dänemark aufhalten.

Der Innenausschuss des Bundestages befasst sich am Nachmittag erneut mit der Affäre. Dabei sollten auch ein weiteres Mal BKA-Präsident Jörg Ziercke und der frühere Innen-Staatssekretär und heutige Staatssekretär im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, befragt werden.

"Coming-Out für Pädophile ist unmöglich"

Der Fall Edathy hat auch für eine rege Diskussion über den Umgang mit Pädophilen entfacht. Nach Auffassung des Rechtsphilosophen Reinhard Merkel gibt es in Deutschland zu wenige Hilfsangebote für Pädophile. "Ich bin sicher, dass jemand wie Sebastian Edathy mit seiner eigenen sexuellen Disposition kämpft, um sich im Zaum zu halten, sich nicht an Kindern zu vergehen." Dafür bräuchten solche Männer aber Hilfe, sage der Hamburger Professor in der "Landeszeitung Lüneburg" zum Fall des Ex-SPD-Bundestagsabgeordneten. "Ein Coming-out ist für Pädophile in Deutschland beinahe unmöglich, ohne die eigene Biografie zu zerstören."

Laut Studien seien bis zu drei Prozent der Männer pädophil veranlagt, erklärte Reinhard Merkel. "Wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel nun sagt, man werde Sebastian Edathy aus der Partei werfen, weil dieser pädophil ist - unabhängig von der Frage, ob Edathy etwas strafrechtlich Relevantes getan hat, dann kann ich nur den Kopf schütteln und ihm raten, mal seine gesamte Fraktion oder den ganzen Bundestag durchzumustern. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sitzen weitere Menschen mit pädophilen Neigungen im Parlament - ohne, dass sie sich an Kindern vergehen."

Der Rechtsphilosoph forderte eine stärkere Differenzierung nach dem Schaden, den jemand anrichtet. "Wenn einer es mit Hilfe solcher Bilder, sozusagen als ein physisches Ventil, schafft, nicht für Kinder gefährlich zu werden, dann kann das moralisch gerechtfertigt sein. Die einzige Alternative wäre die Aufgabe des eigenen Lebensplans in der Gesellschaft, bis hin zum Suizid. Und das ist moralisch nicht zumutbar."

Quelle: ntv.de, fma/dpa/AFP

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