Politik

Berlusconi und die "ragazze" Kirche wendet sich mit Grausen

Ein echter Mann eben ...

Ein echter Mann eben ...

(Foto: REUTERS)

Nicht der Leidensdruck der Wirtschaftskrise beschäftigt die Italiener und ihre Presse, es sind vielmehr die Männlichkeitsrituale ihres Regierungschefs, über die sich alle fast genüsslich ausbreiten. Nun endlich reicht's der katholischen Kirche mit dem Rotlicht im Palazzo Chigi.

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi riskiert, im Zuge des neuen Skandals um sexuelle Affären auch den Rückhalt der katholischen Kirche zu verlieren. Nach scharfer Kritik in sämtlichen nationalen Tageszeitungen hat auch das Presseorgan der italienischen Bischofskonferenz (CEI), die Tageszeitung "L'Avvenire", den 74-jährigen Premier verurteilt. "Allein die Vorstellung, dass ein Mann an der Spitze der staatlichen Institutionen in Affären um Prostitution oder, noch schlimmer, um Prostitution von Minderjährigen verwickelt sein könnte, verletzt und erschüttert", kommentierte der Direktor des Blattes, Marco Tarquinio, die jüngsten Enthüllungen.

Auf jedem Gebiet gelte: "Auf öffentlichen Posten ist das Benehmen nicht von der Position zu trennen", zitierte Tarquinio den CEI- Präsidenten Kardinal Angelo Bagnasco. Eine offizielle Reaktion des Vatikans oder der Bischofskonferenz auf die neuen Enthüllungen gab es bisher noch nicht. Vatikan-Kenner gingen davon aus, dass am kommenden Montag mit einer ersten Stellungnahme Bagnascos zu rechnen sei.

Heiße Nächte in der Villa

Am vergangenen Freitag war bekanntgeworden, dass die Mailänder Staatsanwaltschaft erneut gegen den Regierungschef ermittelt. Dabei geht es um Begünstigung der Prostitution und Prostitution einer Minderjährigen. In den vergangenen Tagen drangen zahlreiche Auszüge aus den Ermittlungsakten an die Öffentlichkeit. Berlusconi soll sich eine Art privaten Harem gehalten haben. Für Geld, Schmuck und Wohnungen seien die "ragazze" ("Mädels") zu heißen Nächten eingeladen worden.

"Bunga-Bunga" in Italien

Laut Ruby gab's in der Villa des Cavaliere nur Happahappa und Schampus.

Laut Ruby gab's in der Villa des Cavaliere nur Happahappa und Schampus.

(Foto: REUTERS)

Vor allem linksorientierte Medien schwelgen in Auszügen mitgeschnittener Telefongespräche. Von Alten Männern und jungen Mädchen ist die Rede - und wieder von "Bunga-Bunga", wobei sich die Italiener nicht einig sind, was das eigentlich ist: eine wilde Party mit Sexspielchen afrikanischer Spielart, wie sie auch im Zelt des libyschen Staatschefs und Berlusconi-Busenfreundes Muammar al-Gaddafi betrieben werden, oder gar Massenvergewaltigungen.

Mitschnitte wie der eines Telefonats zwischen einer Berlusconi-Parlamentarierin mit dem Chef von Berlusconis TV-Sender Rete 4, Emilio Fede, taten ihr Übriges. "Du hast zwei Freundinnen dabei? Also Bunga-Bunga, Mist", wird Maria Rosaria Rossi von der Regierungspartei PdL (Volk der Freiheit) zitiert.

Die Verdächtigten werden indes nicht müde zu beteuern, "Bunga-Bunga" sei nur ein Scherz. Ruby selbst behauptet, die Feste bei Berlusconi seien "reine Abendessen mit Gesang und Silvios bekannten Witzchen" gewesen.

Berlusconi will sich das nicht gefallen lassen und sieht vor allem "Machenschaften". Außerdem habe er schon seit 2009 eine feste Freundin und noch niemals Sex gekauft, verteidigte sich der Medienmogul.

Der "Cavaliere" genießt und schweigt

Die anderen sind ja nur neidisch!

Die anderen sind ja nur neidisch!

(Foto: AP)

Nun rätselt ganz Italien, wer denn die Frau an der Seite des Premiers sein könnte. Berlusconi hüllt sich in Schweigen. Und viele haben den öffentlich gemachten Scheidungsgrund seiner Ex-Frau noch in den Ohren: Sie könne nicht mit jemand leben, der sich mit Minderjährigen treffe.

Im Zentrum der neuen, alten Ermittlungen der Staatsanwälte steht tatsächlich ein blutjunges Partygirl: Die heute 18-jährige Marokkanerin "Ruby Rubacuori" ("Ruby Herzensdiebe"), die bürgerlich Karima El Marough heißt, soll schon mit 17 zum angeblichen Harem Berlusconis gehört haben. Sie habe im vergangenen Jahr zahlreiche Nächte auf dem Luxus-Anwesen des Cavaliere verbracht, hieß es.

Nicole Minetti, Showgirl und Dentalhygienikerin, könnte die Frau an der Seite des 74-jährigen Berlusconi sein. Das richtige Alter hat sie: 26

Nicole Minetti, Showgirl und Dentalhygienikerin, könnte die Frau an der Seite des 74-jährigen Berlusconi sein. Das richtige Alter hat sie: 26

(Foto: dpa)

Die Brünette mit einer Vergangenheit auf der schiefen Bahn hatte bereits 2010 für Aufregung gesorgt. Sie war im Sommer wegen Diebstahls festgenommen worden. Im Oktober platzte die Bombe, dass Berlusconi sie mit einem Anruf höchstpersönlich vor dem Gefängnis bewahrt hatte. Es wird berichtet, Berlusconi habe die kurvenreiche Ruby mit der falschen Behauptung aus dem Knast bekommen, sie sei die Nichte des ägyptischen Staatschef Hosni Mubarak. Der Cavaliere soll damals der Polizei empfohlen haben, die Marokkanerin lieber einer Regionalabgeordneten seiner Regierungspartei anzuvertrauen, statt sie festzusetzen. Heute steht eben diese Abgeordnete Nicole Minetti unter dem Verdacht, den Mailänder "Harem" für Berlusconi kontrolliert zu haben. Minetti, Showgirl und Dentalhygienikerin, zählt zu den treuesten Mitarbeiterinnen des Medienzars - und gilt im Rätselraten um die neue Gefährtin des Regierungschefs als heiße Kandidatin.

Ruby und der Medienzar haben bisher bestritten, Sex miteinander gehabt zu haben. Die Ermittler halten Telefonmitschnitte dagegen, in denen sich Ruby alias Karima anders äußert: "Er hat mir versprochen, mich mit Gold zu überschütten, wenn ich alles ableugne", zitieren Medien aus einem Gespräch des Mädchens mit einer Freundin. Sie habe fünf Millionen für ihr Schweigen gefordert. Ob das als Beweis ausreicht, ist jedoch fraglich.

"Gefangener der eigenen Laster"

Berlusconis Minister beteuerten indes ihre Solidarität mit dem Regierungschef. Doch angesichts der eben erst knapp überstandenen Regierungskrise kann der Skandal dem Kabinett nur Sorgen bereiten. Staatschef Giorgio Napolitano fordert Aufklärung, die Opposition hingegen aufs Neue lautstark den Rücktritt Berlusconis.

Neben dem Image-Schaden für ganz Italien scheint das größte Problem jedoch der absehbare politische Stillstand. Denn anstatt um die Probleme des unter der Wirtschaftskrise leidenden Landes wird es wohl auch in den kommenden Wochen erneut nur um die privaten Affären des Cavaliere gehen. Die liberale Turiner Tageszeitung "La Stampa" fordert denn auch: "Der Ministerpräsident müsste sich vor allem darum bemühen, das sich in der Öffentlichkeit ausbreitende Gefühl zu zerstreuen, dass er zum Gefangenen seiner eigenen Laster geworden ist."

Quelle: ntv.de, hdr/dpa

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