Nach Foltervorwürfen im Iran Klage gegen Polizisten
15.08.2009, 21:15 UhrDer Iran will zwölf Polizisten und einen Richter anklagen, weil sie politische Häftlinge ins falsche Gefängnis gesteckt haben. Das berichtete die Nachrichtenagentur ILNA unter Berufung auf einen Sprecher der Sicherheitskommission des Parlaments.
Die Beamten sollen sich schon bald vor Gericht dafür verantworten, dass sie Demonstranten in ein Gefängnis nahe Teheran gebracht hatten, das nur für Drogenschmuggler vorgesehen ist. Der Oppositionspolitiker Mehdi Karrubi hatte der Regierung vorgeworfen, oppositionelle Frauen und Männer seien in dem Gefängnis schwer sexuell misshandelt worden. Einige sollen auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen sein.

Politische Gefangene sollen in ein Gefängnis für Drogenschmuggler gebracht worden sein. (Auseinandersetzungen zwischen iranischen Oppositionellen und Sicherheitskräften)
(Foto: AP)
Karubi erneuerte unterdessen seine Vorwürfe. Einige junge Menschen, die auf den regierungskritischen Demonstrationen Slogans gerufen und anschließend verhaftet worden seien, seien im Gefängnis so stark geschlagen worden, dass sie starben, schrieb er in der von ihm herausgegebenen Zeitung "Etemad Melli". Auf der Internetseite der Zeitung hieß es, er habe gehört, dass Häftlinge in dem mittlerweile geschlossenen Gefängnis Kahrisak gezwungen worden seien, "wie Tiere mit Gefängniswärtern auf dem Rücken herumzukriechen". Andere wurden laut Karubi gezwungen, während der Folter ihre Mütter verbal zu beleidigen. Es sei eine "Schande" für die Islamische Republik, solche Praktiken anzuwenden.
Angesichts der Foltervorwürfe hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (Ai) eine unabhängige Untersuchung gefordert. Ai forderte den obersten geistlichen Führer im Iran, Ayatollah Ali Chamenei, auf, eine unabhängige Kommission von internationalen Experten einzuladen, um die Vorwürfe von Folter und Vergewaltigung in den Gefängnissen aus dem Weg zu räumen. Ai-Generalsekretärin Irene Khan erklärte in London, der geistliche Führer müsse jetzt reagieren. Offizielle Verlautbarungen seien zu wenig.
Neuer Justizchef ernannt
Ein Mitglied der Untersuchungskommission zu den Protesten nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl wies derweil die von der Opposition angegebene Opferzahl zurück. Auf der Liste mit den Namen von angeblich 69 Toten stünden auch die Namen von inhaftierten und vermissten Menschen, sagte der Parlamentarier Farhad Tadschari der konservativen Zeitung "Chabar". Die Opposition hatte dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss eine Liste mit den Namen von rund 70 Toten und 220 Inhaftierten übergeben.
Ayatollah Chamenei bestimmte derweil Sadegh Ardeschir Laridschani zum neuen Justizchef, wie das staatliche Fernsehen berichtete. Laridschani ist der jüngere Bruder des Parlamentspräsidenten Ali Laridschani. Er wird das Amt fünf Jahre bekleiden und löst Ayatollah Mahmud Haschemi Schahrudi ab, der zuvor zehn Jahre an der Spitze des Justizsystems stand.
Prozess gegen Oppositionelle geht weiter
Unterdessen soll an diesem Sonntag der Prozess gegen Oppositionelle fortgesetzt werden, die in der Zeit nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni auf die Straße gegangen waren. Sie hatten gegen die Wiederwahl des erzkonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad protestiert und die Wahl als gefälscht bezeichnet. Nach der Wahl war es zu wochenlangen Protesten im Iran gekommen, die von der Staatsgewalt zum Teil blutig niedergeschlagen wurden. Mindestens 20 Menschen starben, hunderte wurden inhaftiert. Gegen mehr als 100 von ihnen läuft derzeit ein Gerichtsverfahren, das im Westen und von der iranischen Opposition als "Schauprozess" verurteilt wird.
Unter den Angeklagten ist auch die inhaftierte Französin Clothilde Reiss. Die 24-Jährige solle bald freigelassen werden, hatten staatliche Medien im Iran berichtet. Ob sie allerdings das Land vor dem Ende des Prozesses verlassen darf, ist fraglich. Bei den Verhandlungen zwischen Paris und Teheran um die Freilassung der Frau soll der syrische Präsident Baschar al-Assad vermitteln. Nach Zeitungsberichten soll er nächste Woche nach Teheran reisen.
Massive Boykottmaßnahmen erwogen
In der Bundesregierung und in Brüssel wächst nach einem Bericht des "Spiegel" die Bereitschaft zu massiven Boykottmaßnahmen, sollte die Führung in Teheran nicht mehr Entgegenkommen im Atomstreit signalisieren. Demnach gibt es Überlegungen, die Benzinlieferungen an den Iran zu stoppen. Laut dem Bericht werden auch weitere Beschränkungen des Schiffs- und Luftverkehrs erwogen.
Die Bundesregierung will demnach versuchen, die Sanktionen im UN-Sicherheitsrat zu beschließen. Notfalls würden USA und EU aber nach Ansicht von hohen deutschen Diplomaten auch allein "sehr scharfe Sanktionen" beschließen, wie der "Spiegel" weiter meldete. Der Westen verdächtigt den Iran, heimlich an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP