Geschacher um Bildungsausgaben Klar ist nur die Lücke
16.12.2009, 11:06 UhrBund und Länder können sich nicht vollständig über die künftige Finanzierung von Mehrausgaben für Bildung und Forschung einigen. Der Bund will zusätzlich 40 Prozent einer Finanzierungslücke von mindestens 13 Milliarden Euro pro Jahr übernehmen, aber nur über konkrete Projekte. Die Länder fordern hingegen mehr von der Mehrwertsteuer.

Da ist noch viel Klärungsbedarf: Merkel und Beck vor der Pressekonferenz im Kanzleramt zum "Bildungsgipfel".
(Foto: AP)
Die Finanzierung zusätzlicher Ausgaben für die Bildung bleibt auch nach einem Spitzentreffen bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) strittig. Bund und Länder verständigten sich zunächst darauf, die jährlichen Ausgaben für Bildung bis 2015 um mindestens 13 Milliarden Euro zu steigern.
Merkel sagte zu, dass der Bund davon 40 Prozent und damit einen vier Mal so hohen Anteil als bisher an den Bildungskosten übernehmen wolle. Der Bund will dies zweckgebunden zahlen. Die Länder fordern dagegen pauschal einen höheren Anteil an der Mehrwertsteuer. Das lehnt der Bund bislang ab. Die Entscheidungen wurden auf kommenden Juni verschoben.
Konkretes erst in einem halben Jahr
Hintergrund für die Vereinbarung ist das auf dem ersten Bildungsgipfel im Oktober 2008 in Dresden vereinbarte Ziel, bis zum Jahr 2015 die jährlichen Ausgaben für Bildung und Forschung auf zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen. Nach der jetzt getroffenen Aufteilung der Kosten müssten der Bund 5,2 Milliarden Euro und die Länder 7,8 Milliarden Euro aufbringen.
In welche Bereiche das Geld genau fließt, soll erst bis zu einem Treffen am 10. Juni 2010 geklärt werden. Die Investitionen sollen laut Merkel unter anderem einem Stipendienprogramm und der frühkindlichen Sprachförderung zu Gute kommen. Strittig ist zwischen den Ländern und dem Bund auch noch, wie der Bund den Ländern konkret hilft.
Klar ist nur die Lücke

Studenten demonstrieren derweil gegen die "Bildungsmisere" und für massive Reformen (hier am Tagungsort der Kultusministerkonferenz KMK in Bonn).
(Foto: dpa)
Für die SPD-regierten Länder kritisierte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, man sei sich lediglich über die Finanzlücke einig geworden. Dies sei kein großer Fortschritt. Die Länder hätten sich mehr "Orientierung und Sicherheit" erhofft. "Seitens der Länder will ich klar sagen, dass wir am Ende eine dauerhafte Ausgabe auch mit einer dauerhaften Einnahme versehen müssen", sagte Beck. Ziel seien mehrere Prozentpunkte der Mehrwertsteuer für die Länder. Ein Punkt bedeute etwa 1,6 Milliarden Euro.
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) erklärte, das Ergebnis bleibe deutlich hinter den Erfordernissen zurück. Das Jahr 2009 ende mit der Nachricht, dass die schwarz- gelbe Koalition zwar Steuererleichterungen für Hoteliers und Rechtsanwälte auf den Weg bringen könne, aber der Durchbruch bei der Bildungsfinanzierung werde vertagt. Nach seiner Überzeugung wäre eine verbindliche Regelung über die zusätzliche Beteiligung der Länder an der Umsatzsteuer notwendig gewesen. "Stattdessen werden durch das beabsichtigte Wachstumsbeschleunigungsgesetz den Ländern die eigenen Finanzierungsgrundlagen zusätzlich beschnitten", sagte Platzeck.
Auch vier der fünf besonders finanzschwachen Länder, darunter Schleswig-Holstein, stimmten den Verabredungen nur unter dem Vorbehalt zu, dass sie finanziell auch in der Lage sein müssten, gleichzeitig mehr für Bildung auszugeben und dennoch den im Grundgesetz vorgeschriebenen Schuldenabbau bis 2020 zu verwirklichen.
Kanzlerin sieht "großen Schritt"
Die Kanzlerin zeigt sich dennoch mit den Verabredungen zufrieden. Diese seien ein "großer Schritt" zu dem Zehn-Prozent-Ziel, über das sich Bund und Länder einig seien. Dies würde jährlich 282 Milliarden Euro bedeuten. Derzeit fließen 241 Milliarden Euro, weitere 28 Milliarden sind seitens der Länder bereits geplant. Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hob hervor, dass sich der Bund dauerhaft und wesentlich umfangreicher als geplant an den Kosten beteilige.
Wöller: "Künstliches Hochrechnen"
Derzeit sehe es so aus, "dass wir die zehn Prozent bereits im Haushaltsjahr 2009 erreichen werden, einfach weil das Bruttoinlandsprodukt aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise geschrumpft ist", sagte der sächsische Kultusminister Roland Wöller (CDU) im Interview mit n-tv.de. "So gesehen haben wir das Ziel erreicht. Allerdings wird das auf Dauer nicht reichen."
Wöller wandte sich klar gegen ein künstliches Hochrechnen von Bildungsausgaben, wie dies zum Teil bereits beschlossen ist. So fordern die Finanzminister, sogenannte "kalkulatorische" Kosten für staatseigene Bildungsimmobilien einzurechnen. "Wir haben in den Haushalten eine Einnahme- und Ausgaberechnung, keine kaufmännische Buchführung. Insofern wäre die Einbeziehung kalkulatorischer Kosten aus meiner Sicht ein Finanztrick, um uns auf zehn Prozent hochzurechnen. Als Kultusminister erwarte ich jedoch echte Anstrengungen vom Bund und den Ländern, um das Zehn-Prozent-Ziel zu erreichen."
Künast: Merkel "schummelt"
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf Merkel einen völlig verfehlten Bildungs- und Steuerkurs vor. "Mit diesem Bildungsgipfel liefert Merkel einen bildungspolitischen Schummelzettel ab", sagte Künast zu dem Bund-Länder-Treffen. Zunächst nehme Merkel den Ländern und Kommunen mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz dringend notwendige Einnahmen weg. "Dann versucht sie die Löcher mit unklaren Versprechungen wieder zu stopfen", kritisierte Künast.
"Keine Verquickung der Themen"
Kurz vor der entscheidenden Bundesratssitzung am Freitag gibt es weiter keine Einigung mit den Ländern über die Verteilung der Ausfälle durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. "Die Gespräche laufen weiter", sagte Merkel. "Wir haben keine Verquickung der Themen vorgenommen", berichtete Beck. Immer weiter sinkende Einnahmen, höhere Bildungsausgaben und die Schuldenbremse seien kaum miteinander vereinbar. "Da ist mehr als die Quadratur des Kreises verlangt." Trotz mangelndem Einvernehmen wird mit einer erforderlichen Mehrheit mit den schwarz-gelben Länderstimmen für das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gerechnet.
Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP