Politik

Versprechen gehalten oder gebrochen? Klassische Wahlprogramme

"Die Richtung stimmt." "Der Wechsel tut not." Die programmatischen Unterschiede von SPD und Union werden schon in diesen zwei Sätzen deutlich, die auf der jeweils ersten Seite der Wahlprogramme zu lesen sind. Die SPD wirbt bei den Wählern dafür, den eingeschlagenen Kurs für weitere vier Jahre fortsetzen zu dürfen. "Der Reformstau ist aufgelöst... Der Stillstand ist überwunden." Die Union kontert dagegen: "Die Bundestagswahl ist auch eine Abstimmung über die letzten vier Jahre. Schröder ist der Kanzler des Versprochen - Gebrochen." Nun soll den Bürgern wieder "Leistung" ermöglicht werden, flankiert von "Sicherheit für die Zukunft".

Die Programme folgen somit dem klassischen Muster: Die Regierung hebt ihre vermeintlichen Erfolge hervor, die Opposition bietet einen Gegenentwurf zur Regierungspolitik. Schaut man auf die Details, fällt die unterschiedliche Herausstellung des Spitzenkandidaten auf: Die Sozialdemokraten werben schon in der ersten Zwischenüberschrift ganz im Sinne der angekündigten Personalisierung des Wahlkampfs für

"Vertrauen in Bundeskanzler Gerhard Schröder". Edmund Stoiber wird dagegen weniger in den Vordergrund geschoben. Lediglich am Ende der Präambel findet sich die Aussage, dass die Union einen Kanzlerkandidaten anbiete, "der handelt, weil er weiß: Es ist Zeit für Taten".

Schwerpunkt der Union ist eindeutig die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. Gleich im ersten Regierungsjahr will Stoiber hier Zeichen setzen und etwa das Tarifrecht dahingehend ändern, das zumindest in wirtschaftlich angeschlagenen Betrieben künftig Lohnvereinbarungen getroffen werden können. Auch soll der Kündigungsschutz mit Blick auf ältere Arbeitslose gelockert werden. Um mehr Beschäftigung im Niedriglohnbereich zu erreichen, schlägt die Union ein umfangreiches System vor, mit dem diese Beschäftigungsverhältnisse von Abgaben entlastet werden sollen.

Die SPD ist trotz der hohen Arbeitslosenzahl auch hier der Ansicht: "Die Weichen sind gestellt." Es wird aber versprochen, im Niedriglohnbereich das "Mainzer Modell" fortzusetzen. Am Arbeitsrecht sollen keine wesentlichen Veränderungen vorgenommen werden. Einig sind sich beide großen Parteien nur darin, dass Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengeführt werden sollten.

Im Gegensatz zur Union stellt die SPD das Prinzip der Nachhaltigkeit in den Vordergrund. "Wir haben den Weg in den Schuldenstaat gestoppt." Ziel für 2006 bleibe ein ausgeglichener Bundeshaushalt. Hier ist die Union zurückhaltender. Grund könnte sein, dass sie für ihre Steuerreform mehr Spielraum braucht. 2005 will die SPD bei der Einkommenssteuer auf einen Spitzensteuersatz von 42 Prozent kommen, CDU und CSU ein Jahr später auf einen Satz "unter 40 Prozent".

Groß sind die Unterschiede auch bei der Ökosteuer. Die Sozialdemokraten halten an der Erhöhung zum 1. Januar 2003 fest. Danach soll aber Schluss sein. Anders sehen das die Grünen. Die Union will diese letzte Stufe der Reform rückgängig machen.

Der Familie oder Erziehenden mit Kindern wollen beide Gutes tun. Die SPD verspricht die finanzielle Förderung von Ganztagsschulen und mittelfristig ein höheres Kindergeld in Richtung von 200 Euro. Die Union setzt noch einen drauf und propagiert ein Familiengeld von bis zu 600 Euro pro Kind.

Nach den Streitigkeiten der vergangenen Jahre liegen auch in der Zuwanderungspolitik Welten zwischen beiden großen Volksparteien. Das gilt ebenso für die Gesundheits- und Rentenpolitik.

Verhältnismäßig einig ist man sich dagegen in der Außen- und Sicherheitspolitik, sieht man einmal von der finanziellen Ausstattung der Bundeswehr ab, die die Union verbessern will. Beide wollen, dass die EU demokratischer wird. Im Bereich der Inneren Sicherheit gibt es ebenfalls Übereinstimmungen, auch wenn die Union traditionell dem Staat mehr Befugnisse geben will als die SPD.

Auch was den Osten angeht, gleichen sich die Rezepte. Zwar will Stoiber den Neuen Ländern ermöglichen, vom Bundesrecht abzuweichen, um dadurch mehr Investoren anzuziehen. Im Hinblick auf die Forderung nach gleichem Lohn im Öffentlichen Dienst heißt es bei der SPD, dass dieser bis 2007 durch gesetzt werden soll. Die Union schreibt: "Bis zum Jahr 2007 muss im Öffentlichen Dienst des Bundes eine Angleichung der Besoldung und Tarife erfolgen."

Ulrich Scharlack, dpa

Quelle: ntv.de

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