Politik

Polen lädt zum Gipfel Klimakonferenz in der Kohlegrube

AP08120209711.jpg

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Das Zwei-Grad-Ziel ist nur noch schwer zu erreichen. Der Meeresspiegel steigt schneller als erwartet. Vor dem Auftakt der 19. Klimakonferenz der Vereinten Nationen sind die Aussichten düster. Passend zum Austragungsort des Gipfels.

Wäre das Gastgeberland ein Erfolgskriterium für Klimakonferenzen, würde der Gipfel in Warschau in einem Desaster enden. In den nächsten 14 Tagen verhandeln Politiker und ihre Delegationen aus 194 Staaten ausgerechnet in der Hauptstadt Polens, in der Kohlegrube Europas.

Ziel der Konferenz ist es, ein neues, ambitioniertes Klimaabkommen vorzubereiten. Alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sollen es 2015 in Paris beschließen. 2020 soll es in Kraft treten. Ein Ziel mit wenig Aussicht auf Erfolg. Und so wirkt der Austragungsort Warschau tatsächlich wie ein Menetekel.

Der osteuropäische Staat produziert mehr als 90 Prozent seines Stroms mit Kohlekraftwerken. Selbst der Umweltminister des Landes sagt: "Europa kann nicht ohne Kohle." Mit seiner Rhetorik macht er deutlich: Für ihn sind Wirtschaftswachstum und Versorgungssicherheit wichtiger als das Klima. Und dieser Rhetorik folgt sein Handeln.

Kohleindustrie sponsort Klimagipfel

Ein paar Wochen vor dem Auftakt der Klimakonferenz gab Marcin Korolec eine Pressekonferenz, auf der er die Sponsoren des Klimagipfels in seiner Heimat vorstellte. Auf der Liste stehen Unternehmen wie Polska Grupa Energetyczna (PGE) und ArcelorMittal. PGE ist der größte polnische Energieerzeuger. Er gewinnt seinen Strom zu 69 Prozent aus Braunkohle, 22 kommen aus Steinkohle, nur 4 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen. ArcelorMittal ist Polens größter Stahlkonzern und einer der größten Umweltverschmutzer.

Korolec sagte der "Zeit" wenig später: Polen mit seinem hohen Industrieanteil könne sich steigende Energiepreise nicht leisten. Über Europas Rolle im Kampf gegen den Klimawandel sagte er: "Unser erstes Ziel sollte unser gemeinsames Wirtschaftswachstum sein." Ein Vorreiterrolle im Klimaschutz zu übernehmen, bringe nichts: "Die Idee durch gutes Beispiel zu führen, funktioniert nicht." Zur Erläuterung: Diese Idee steht im Zentrum der europäischen Klimapolitik.

Kohlelobby gastiert im Wirtschaftsministerium

Als wäre das nicht Signal genug: Ausgerechnet während der Konferenz der Vereinten Nationen findet im polnischen Wirtschaftsministerium der "Internationale Kohle- und Klimagipfel" der World Coal Association statt, einer internationalen Lobby-Gruppe der Kohleindustrie. Die Eröffnung der Konferenz, in der es um Perspektiven geht, die wachsende Nutzung von Kohlekraft mit den Herausforderungen des Klimawandels zu vereinen, übernimmt Polens Wirtschaftsminister Janusz Piechocinski.

Viel schlechter könnten die Vorzeichen für die UNO-Konferenz nicht stehen. Polen ist im internationalen Vergleich zwar nur ein Zwerg, wenn es um Emissionen geht. Das Land macht kaum 1 Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes aus. Auch unabhängig vom Gastgeber zeigen sich Klimaexperten derzeit wenig hoffnungsvoll.

"Ich glaube nicht an ein starkes internationales Abkommen 2015", sagt Michael Oppenheimer, Professor für Geowissenschaften und Internationale Beziehungen an der Princeton Universität, n-tv.de. Zwar gebe es große Fortschritte in den USA, Oppenheimer hält es aber für ausgeschlossen, dass der Kongress des zweitgrößten Klimagas-Produzenten in seiner jetzigen Zusammensetzung ein Abkommen ratifizieren würde. Und ohne die USA zieht auch China, der größte Produzent, nicht mit. Allein Washington und Peking zeichnen für mehr als 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich.

Selbst Deutschland scheut laut dem Klimaexperten mittlerweile, eine Führungsrolle zu übernehmen. Die Bundesrepublik sei sehr bemüht, im europäischen Rahmen zu handeln, sagt Oppenheimer. Wirklich voran gehen werde es wohl erst, wenn Zahl und Ausmaß klimabedingter Naturkatastrophen spürbar zunehmen.

Weltklimarat zeichnet düsteres Szenario

Ein kleines Signal der Hoffnung könnte trotzdem von Warschau ausgehen. In den vergangenen Jahren hat die UN die Klimakonferenz gezielt in den Ländern abgehalten, die als Bremser gelten. Ziel war es, Druck aufzubauen und Impulse zu geben. Im vergangenen Jahr in Doha zeigte die Strategie noch keine Wirkung. Schon Mitte Oktober gab Polen dagegen überraschend seinen Widerstand gegen eine gemeinsame Position der Europäischen Union beim Kampf für strengere Klimaziele auf. Zuvor hatte sich Polen wiederholt dafür eingesetzt, die Ziele der Gemeinschaft abzuschwächen.

Es ist allerdings nur ein wirklich kleines Signal der Hoffnung - selbst wenn Warschau ein Zeichen dafür werden sollte, dass die Vereinten Nationen die Bremser langsam bekehren. Der Weltklimarat IPCC zeichnet in seinem jüngsten Bericht das bisher düsterste Szenario des Klimawandels und das basierend auf der bisher sichersten statistischen Basis. Der Meersspiegel steigt deutlich schneller als erwartet und die Weltgemeinschaft droht ihr Ziel, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad zu begrenzen, deutlich zu verfehlen. Einigen Szenarien zufolge könnte der Anstieg gar die 4-Grad-Marke im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter durchbrechen. Wissenschaftler gehen dann von unbeherrschbaren Folgen aus. Schon jetzt sind die vergangenen 30 Jahre die wärmsten seit mindestens 1400 Jahren. Und nach Angaben der Weltwetterorganisation WMO ist die Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre höher denn je. Experten sind sich einig: Die Zeit, um in kleinen Schritten voranzuschreiten, ist längst verstrichen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen