Politik

Kampf um Milliarden Klinik-Demo in Berlin

Zehntausende Ärzte und Pfleger haben bei der größten Demonstration von Klinikmitarbeitern in der Geschichte der Bundesrepublik ihrem Unmut über die Finanzlage der Krankenhäuser Luft gemacht.

Nach Angaben der Veranstalter waren 120.000 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet mit Bussen und Sonderzügen in die Hauptstadt gereist. In vielen Krankenhäusern wurde daher nur ein Notbetrieb aufrechterhalten. Die Krankenhäuser bezahlten rund eine Million Euro für die Anreise der Demonstranten in Bussen und Sonderzügen.

Die Kassen-Ausgaben für den laufenden Betrieb der Kliniken waren im vergangenen Jahr um 1,4 Prozent auf 51 Milliarden Euro gestiegen. Für Gebäude und Infrastruktur sind allerdings die Länder zuständig; sie bezahlten zuletzt rund 2,3 Milliarden Euro im Jahr zu wenig.

"Harter Ausgabendeckel"

Auf Plakaten und Transparenten forderten die Demonstranten den Wegfall des Budgetdeckels für die Kliniken und stärkere Hilfen vom Staat. Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Rudolf Kösters, sagte, auf den Kliniken laste sei 15 Jahren ein harter Ausgabendeckel. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hatte versicherte, der "Deckel" werde durch die aktuelle Reform ab 2011 durch fairere Finanz-Kriterien ersetzt.

Kösters sagte, bis Ende 2009 fehlten den 2100 Häusern 6,7 Milliarden Euro. Das von der Regierung geplante Hilfspaket von 3,2 Milliarden Euro sei bei nicht ausreichend und eine Mogelpackung, da es unter dem Strich nicht mal die Hälfte umfasse. Kliniken und Mitarbeiter fänden sich nicht damit ab, dass weitere Zehntausende Arbeitsplätze gefährdet würden. Der Vorsitzende des Klinikärzteverbandes Marburger Bund, Rudolf Henke, verlangte eine 100-prozentige Refinanzierung der Tarifsteigerungen in den Kliniken. Die sich verschärfende Unterversorgung der Kranken müsse gestoppt werden.

"Politik spart die Kliniken krank"

In mehreren Sternmärschen zogen die Demonstranten mit Trillerpfeifen und Rasseln vorbei an Kanzleramt und Bundestag zum Brandenburger Tor. "Politik spart die Kliniken krank", stand auf einem Großbanner. Viele Demonstranten trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Gute Leute, gute Arbeit", andere hatten sich weiße Kittel oder OP-Kleidung übergezogen. Die Straßen der Hauptstadt verwandelten sie in ein buntes Meer von Fahnen der verschiedenen Berufsverbände und Interessengruppen.

Aufgerufen zu der Demonstration hatte ein Aktionsbündnis aus Verbänden von Ärzten, Pflegern, Klinikträgern, Gewerkschaften, Kommunen und Arbeitgebern. Neben den Tarifsteigerungen und den Sparmaßnahmen machen den Hospitälern derzeit die Energiepreise zu schaffen.

0,3 Prozentpunkte für die Versicherten

Die Regierung hatte am Mittwoch beschlossen, dass den Kliniken auf Kosten der Beitragszahler 50 Prozent der Tarifkosten erstattet werden soll. Zudem fällt der Sanierungsbeitrag weg, den sie an die Krankenkassen abführen müssen. Auch sollen sie Geld zur Einstellung von 21.000 zusätzlichen Pflegekräften erhalten.

Ministerin Schmidt hat eine Aufstockung der Nothilfe ausgeschlossen. Ihren Angaben zufolge führt das Notpaket bereits zu einer Mehrbelastung für die Versicherten im Umfang von 0,3 Beitragssatzpunkten. SPD-Fraktionsvize Elke Ferner sagte: "Wer mehr will, muss auch sagen, wo das Geld herkommen soll." Die Lobbygruppen dürften nicht nur mit dem Finger nach Berlin zeigen. Vielmehr stünden die Länder bei den Investitionen in der Pflicht.

"Zu viele Krankenhäuser"

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen wandte sich gegen die Warnungen vor der Schließung weiterer Krankenhäuser. "Wir haben zu viele Krankenhäuser, zu viele Krankenbetten", sagte Vorstand Gerd Billen im Deutschlandradio. Die Klinik-Zahl ging innerhalb von zehn Jahren um 165 auf 2104 im Jahr 2006 zurück. Die rund 511.000 Betten sind im Schnitt zu 76 Prozent ausgelastet. Billen verwies darauf, dass Länder wie Frankreich weit weniger Betten hätten. Er sprach sich für eine bessere Finanzausstattung aus, wies aber auch auf Sparmöglichkeiten hin.

Die Krankenkassen machten die Länder für die Finanzmisere verantwortlich und mahnten Strukturreformen an. "Und auch im aktuellen Gesetz zur Reform Krankenhausfinanzierung bleiben wieder einmal die Länder verschont", sagte der Vorsitzende der Ersatzkassenverbände VdAK/AEV, Thomas Ballast. "Die Zeche zahlen die Beitragszahler." KKH-Chef Ingo Kailuweit bemängelte, das frische Geld werde nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Stattdessen müssten die Klinik-Behandlungen auf ihre Qualität geprüft werden. Die Kliniken müssten sich stärker zu Kompetenzzentren spezialisieren.

Quelle: ntv.de

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