Demokratie in der Ukraine in Gefahr Klitschko geht auf die Straße
12.10.2011, 15:15 Uhr
Klitschko sorgt sich um die Demokratie in seinem Heimatland.
(Foto: dpa)
Nach dem Urteil gegen die ehemalige ukrainische Ministerpräsidentin Timoschenko ruft Boxer und Oppositionspolitiker Klitschko zu Protesten auf. Das Urteil sei "ein Schritt zu Autoritarismus und Diktatur", sagt er. Amnesty International weist darauf hin, dass Folter und Gewalt gegen Gefangene in dem Land weit verbreitet sei.
Nach dem umstrittenen Urteil gegen die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko wegen Amtsmissbrauchs hat der Politiker und Boxer Vitali Klitschko zu Protesten aufgerufen. Es gelte, sich aufzulehnen gegen eine Vernichtung der Demokratie in der Ukraine, sagte der Chef der Oppositionspartei Udar ("Schlag") im Kiewer TV-Sender 5 Kanal. "Wenn ein Oppositioneller nach dem anderen sich im Gefängnis wiederfindet, ist das ein Schritt zu Autoritarismus und Diktatur", sagte der Schwergewichtsboxweltmeister nach Angaben seiner Partei-Internetseite im Fernsehen.
Allerdings bemühte sich die Kiewer Führung auch um Schadensbegrenzung. Der ukrainische Justizminister Alexander Lawrinowitsch kündigte eine mögliche Änderung der Gesetze an, nach denen Timoschenko verurteilt worden war.
"Schnell" einen Ausweg finden
Die Bundesregierung erneuerte derweil ihre Kritik. Die ukrainische Führung unter Präsident Viktor Janukowitsch müsse nach dem Urteil gegen Timoschenko jetzt "schnell" einen Ausweg finden, forderte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Offensichtlich werde das Strafrecht "missbraucht, um Opposition zu verhindern", sagte Streiter. Zugleich drohte er der ukrainischen Führung mit Strafmaßnahmen. "Demokratische Rückschritte in der Ukraine werden Folgen für unsere Beziehungen haben."
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) forderte vor Journalisten in Kiew die Freilassung Timoschenkos. Die Justiz in Kiew habe einen politischen Schauprozess gegen die Oppositionsführerin inszeniert, sagte Amnesty-Vertreter John Dalhuisen. Laut Richterspruch überschritt sie 2009 beim Abschluss von Gasverträgen mit Russland ihre Amtsbefugnisse.
Wähler, nicht Gerichte sollen enscheiden
"Die Vorwürfe sind nach internationalen Maßstäben nicht haltbar", sagte Dalhuisen. Es sei die Sache der Wähler und nicht der Gerichte, über politische Handlungen von Regierungschefs zu entscheiden. Das Verfahren gegen Timoschenko sei eine "Parodie auf die Rechtsstaatlichkeit" gewesen, kritisierte Dalhuisen.
Laut AI sind Folterungen und Gewalt gegen Gefangene in der Ukraine weit verbreitet. Keinem der wenigen Polizisten, die angezeigt würden, sei in den vergangenen Jahren der Prozess gemacht worden, sagte die AI-Direktorin für die Ukraine, Tatjana Masur, in Kiew. Gewaltbereite Einheiten würden sogar mit Auszeichnungen und Beförderungen belohnt.
Die Organisation forderte die Ex-Sowjetrepublik auf, die "endemische Polizeikriminalität" unverzüglich zu beenden und eine unabhängige Untersuchungsbehörde einzurichten. "Am Umgang mit Gefangenen beweist ein Staat, wie er es mit den Menschenrechten hält", teilte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck in Berlin mit. Präsident Viktor Janukowitsch hatte Ende September per Dekret eine Kommission zur Verhinderung von Folter eingesetzt.
Anteil an Bestechungsgeldern geht ins Ministerium
Auch Korruption sei in der Ukraine weit verbreitet, sagte Masur bei der Vorstellung eines Berichts über Polizeibrutalität. So hielten die Sicherheitskräfte oft Menschen tagelang fest und verlangten von den Verwandten hohe Summen für eine Freilassung. Es gebe eine Verfügung, "dass 40 Prozent von Bestechungsgeldern, die bei Polizeistellen und Gerichten anfallen, automatisch an das Innenministerium in Kiew abgeführt werden müssen", behauptete Masur.
Der ukrainische Außenminister Konstantin Grischtschenko wies bei einem Besuch in Estland die internationale Kritik an dem Verfahren zurück. Timoschenko sei nicht wegen ihrer politischen Arbeit, sondern wegen Verstößen gegen die ukrainischen Gesetze verurteilt worden, sagte er nach Angaben der Agentur Interfax. Timoschenko soll beim Abschluss der Gasverträge mit Russland einen Schaden von 137 Millionen Euro verursacht haben.
Quelle: ntv.de, dpa