SPD: Neuwahlen möglich Koalition ringt um Einigkeit
29.08.2011, 07:17 Uhr
Alle Abgeordnete hinter sich? Angela Merkel muss um ihre Kanzlermehrheit fürchten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Vor der Abstimmung über den Euro-Rettungsfonds EFSF weiß die schwarz-gelbe Koalition: Scheitert die Zustimmung des Parlaments, ist die Regierung in Gefahr. Auch bekannte Köpfe versagen den Maßnahmen von Kanzlerin Merkel bislang das Ja. Schon prophezeit SPD-Generalsekretärin Nahles: "Neuwahlen wären die logische Folge". Arbeitgeberpräsident Hundt fordert einen neuen Maastricht-Vertrag.
In der Union werben die Befürworter des Regierungskurses zur Stabilisierung des Euros um Geschlossenheit. Die Fraktionsvizes Michael Meister und Arnold Vaatz (beide CDU) argumentierten, dass auch die Opposition keine besseren Alternativen aufzeige. Doch zugleich bekräftige der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach seine ablehnende Haltung zur Erweiterung der Befugnisse des Euro-Rettungsfonds EFSF. Er und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle lehnten es zudem ab, mehr Kompetenzen auf die europäische Ebene zu verlagern, wie es Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy anstreben. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte eine Anpassung des Maastricht-Vertrages.
Meister mahnte die Koalitionäre mit Blick auf die Bundestagsabstimmung am 23. September: "Wenn die Koalition die eigene Kanzlermehrheit (...) nicht erreichen würde, stellen sich natürlich sofort machtpolitische Fragen. Das muss allen Kollegen klar sein." Wenn Rot-Grün alleine das Sagen hätte, würde man genau das bekommen, was man verhindern wolle: eine Transferunion mit einer Vergemeinschaftung der Schulden, sagte er der "Passauer Neuen Presse". Meister warb für eine abgestufte Mitsprache des Bundestags: Zustimmungsbedarf bei der Kreditgewährung an weitere Länder, Kontrolle des exekutiven Handelns durch den Haushaltsausschuss.
SPD: Neuwahlen einziger Ausweg
Die Opposition wurde im Hinblick auf die Abstimmung deutlicher: "Wenn Kanzlerin Merkel in der Euro-Frage keine Mehrheit in ihrer eigenen Koalition zusammenbekommen sollte, wären Neuwahlen doch die logische Folge", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Einen anderen Ausweg sehe ich in diesem Fall nicht", fügte sie hinzu. Eine Große Koalition mit der CDU/CSU schloss die SPD-Politikerin aus.
Die SPD will die Bundeskanzlerin bei der Abstimmung über das Euro-Rettungspaket im Bundestag aber nicht durchfallen lassen. "Wir Sozialdemokraten stimmen mit, wenn es um notwendige und sinnvolle Hilfen geht, um die gemeinsame europäische Währung zu stabilisieren", sagte Nahles.
Merkel hatte sich in der Zeitung "Bild"-Zeitung optimistisch gezeigt, dass bei der für Ende September angesetzten Abstimmung über die geplante Aufstockung des Euro-Rettungsschirms eine Mehrheit ihrer Regierungskoalition zustande kommt. Sie sei "zuversichtlich", die Fraktionen von Union und FDP von der Notwendigkeit des Gesetzgebungsvorhabens überzeugen zu können. Es gehe darum, gemeinsam die Stabilität des Euro zu stärken.
Schuldenbremsen überall
Vaatz ist zwar "nicht der Meinung, dass die vorgelegten Maßnahmen dafür sorgen können, dass Griechenland seine Zinsen und Tilgung zahlen kann", wie er der "Mitteldeutschen Zeitung" aus Halle sagte. "Aber die politischen Alternativen der Opposition könnten das Problem noch weniger lösen und kämen die Steuerzahler viel teurer."
Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) sagte Merkel Unterstützung zu, bestand im "Münchner Merkur" aber auch "auf roten Linien." Eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild könne im gesamten Euro-Raum Garant sein für eine stabile Währung. "Verstößt ein Land gegen die Regeln, muss es scharfe Sanktionen geben. Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) warnte vor einem Nein im Bundestag: "Jeder Abgeordnete von CDU und CSU muss wissen, dass er sich in der Opposition wiederfindet, wenn es zu einer Ablehnung des Projekts kommen würde."
Der Unionsinnenpolitiker Wolfgang Bosbach (CDU) bekräftigte dagegen seine ablehnende Haltung. Er warnte auch davor, Entscheidungsrechte des Bundestages zu unterlaufen: "Wir haben ein riesiges Schuldenproblem, wir können uns nicht noch ein Demokratie-Problem dazu leisten." Eine stärkere Übertragung von Kompetenzen auf Europa lehnte er ab. Dort seien die vereinbarten Stabilitätskriterien "mehr als 100 Mal gebrochen worden". Auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte, die Euro-Schuldenkrise "löst man nicht, wenn man quasi einen europäischen Finanzminister hat". Stattdessen brauche es schärfere Sanktionen gegen Länder, die den Stabilitätspakt verletzen.
Arbeitgeber fordern neuen Maastricht-Vertrag
Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt forderte die Abgeordneten auf, Merkel zu unterstützen. "Wer an einer europäischen Währung teilhat, muss auch bereit sein, nationale Souveränitäten zugunsten gemeinsamen Handelns zu übertragen", erklärte er in der "FAZ". Auch der Maastricht-Vertrag müsse seiner Ansicht nach überarbeitet werden. So sollten sich die Euro-Staaten auf nationale Schuldenbremsen mit Verfassungsrang und einen schärferen Stabilitätspakt verpflichten. Dazu gehöre ein verbindlicher Fahrplan mit automatischen Sanktionen, falls ein Staat der Währungsunion gegen die Defizitregeln des Pakts verstoße. Nur unter sehr strengen Regeln könnten dann auch gemeinsame Euro-Anleihen eingeführt werden.
Für eine stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik einzelner europäischer Länder sei es nicht wichtig, ob sie mit dem Etikett "Wirtschaftsregierung" versehen würden. Vielmehr müssten alle Kriterien erfüllt werden, die Deutschland und Frankreich in ihrem "Euro-Plus-Pakt" formuliert hätten. In der Vergangenheit hätten aber auch diese beiden Länder gegen bestehende Regeln verstoßen. "Deshalb sind nationale Kraftakte zur Zukunftssicherung gefordert - mit einer schrittweisen Rückführung des Schuldenstands auf unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts", schrieb Hundt.
Quelle: ntv.de, dpa/rts