Geldsegen vernebelt Koalition streitet weiter
08.05.2007, 14:09 UhrZum Auftakt der Steuerschätzung streitet die Koalition weiter über die Verwendung der erwarteten zusätzlichen Milliardeneinnahmen. SPD-Fraktionschef Peter Struck nannte es am Dienstag ganz klar, dass die Studienförderung Bafög erhöht werde. Auch das Programm zur Gebäudesanierung werde aufgestockt. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder wies dies energisch zurück. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück forderte seine Kabinettskollegen unterdessen zur Haushaltsdisziplin auf.
Mit den Beratungen des Steuerschätzerkreises von Dienstag bis Freitag in Görlitz treten die Haushaltsberatungen in eine heiße Phase. Steinbrück hatte bereits mitgeteilt, dass sein Haus bis 2011 mit Mehreinnahmen gegenüber der Mai-Schätzung 2006 von 200 Milliarden Euro rechnet, davon 90 Milliarden für den Bund.
SPD hat Geldsegen bereits verplant
Struck sagte, für die SPD sei ausgemacht, dass das Bafög erhöht werde. Dafür seien für das kommende Jahr 290 Millionen Euro zusätzlich aus Steuermitteln vorgesehen. Dieser Plan sei mit Steinbrück abgestimmt. Auch Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) stehe dahinter. Mit dem Geld sollten die Sätze erhöht und die Bedingungen für Darlehen verbessert werden.
Zusätzliche Steuergelder sollen nach Strucks Angaben auch in Verkehrsinfrastruktur-und Gebäudesanierungsprogramme fließen. Dafür sollten 500 Millionen Euro aufgewendet werden. Weiteres Geld will die SPD für die Goethe-Institute und Auslandsschulen im Etat des Auswärtigen Amts und für Umweltprogramme verwenden. Für diese Investitionen gebe es trotz der Fortsetzung der Sanierung der Staatsfinanzen Spielraum, sagte Struck.
Kauder schiebt SPD-Wünschen Riegel vor
Kauder sagte dagegen in einer Unions-Fraktionssitzung nach Angaben von Teilnehmern: "Während wir uns hier bemühen, den Haushalt zu konsolidieren, wird nebenan mit vollen Händen Geld ausgegeben." Das sei Gift für das gemeinsame Ziel der Koalition, die Schulden abzubauen. Die SPD solle nicht wieder in alte rot-grüne Verhaltensmuster zurückfallen. "Im Übrigen wird der Bundeshaushalt nicht allein von Peer Steinbrück oder der SPD-Bundestagsfraktion entschieden, sondern gemeinsam durch die gesamte Koalition." Kauder hatte bislang mehr Geld für die CDU-geführten Ressorts Verteidigung und Inneres verlangt.
Steinbrück: Es ist nicht Weihnachten
Steinbrück bemühte sich weiter, die Begehrlichkeiten zu dämpfen. "Es ist nicht Weihnachten", unterstrich er in einem Beitrag für den "Tagesspiegel". Er sehe sich aus den Ministerien mit Mehrforderungen von fast 30 Milliarden Euro bis 2011 konfrontiert. Von den erwarteten Mehreinnahmen des Bundes in Höhe von 90 Milliarden Euro werde aber nicht viel übrig bleiben. So müssten bereits beschlossene Ausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung, den Arbeitsmarkt sowie die Unternehmenssteuerreform 2008 noch finanziert werden. Hinzu kämen Rückstellungen als Konsequenz aus Gerichtsurteilen.
In den Zeiten einer boomenden Konjunktur müsse die Staatsverschuldung abgebaut werden, schrieb Steinbrück weiter. "Würden wir das nicht schaffen, wäre das ein Armutszeugnis für die gesamte politische Klasse." Allein der Bund schiebt 900 Milliarden Euro Schulden vor sich her, der Gesamtstaat rund 1500 Milliarden Euro. "Für mich gibt es keinen einzigen plausiblen Grund, warum der Staat sich unvernünftiger als jeder ökonomisch denkende Privathaushalt verhalten sollte." Der Bund zahlt derzeit jährlich rund 40 Milliarden Euro allein an Zinsen.
Steuerzahler für Zurückhaltung
Der Bund der Steuerzahler hatte die Bundesregierung zuvor davor gewarnt, konjunkturell bedingte Mehreinnahmen für zusätzliche Ausgaben zu verwenden. "Ich appelliere an die Bundeskanzlerin und den Bundesfinanzminister, jegliche Ausgabenwünsche der Bundesminister zurückzuweisen", sagte der Präsident des Steuerzahlerbundes, Karl-Heinz Däke. Der voraussichtliche Steuersegen scheine vielen Politikern die Sinne zu vernebeln. Mehreinnahmen müssten in den Abbau der Neuverschuldung fließen, sagte Däke.
"Die Bundesregierung sollte nicht erst 2011, sondern schon 2009 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und alle Haushaltsprobleme beseitigen", forderte Däke bei n-tv. "Danach dann muss es allerdings zu Steuer- und Abgabenentlastungen kommen, denn die deutschen Steuerzahler, insbesondere die Arbeitnehmer, sind im internationalen Vergleich über Gebühr belastet, so dass also dann, wenn der Haushalt konsolidiert ist, es dann dringend zu einer Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung kommen muss." Auf keinen Fall dürfe es zu Mehrausgaben kommen, betonte Däke.
Im November hatten die Steuerschätzer für dieses Jahr 514 Milliarden Euro vorhergesagt, 20 Milliarden Euro mehr als in ihrer Prognose vom Mai 2006. Nach Angaben aus der Koalition werden nun 515 bis 535 Milliarden Euro für möglich gehalten. Die Ergebnisse der Steuerschätzung werden am Freitag veröffentlicht. Dem Expertenkreis gehören Fachleute der Finanzministerien von Bund und Ländern, der Kommunen, des Statistischen Bundesamtes, der Bundesbank und von Wirtschaftsforschungsinstituten an.
Quelle: ntv.de