Merkel fordert Große Koalition Koalitionsgerangel nach Althaus
03.09.2009, 16:17 UhrMit dem überraschenden Rücktritt von Ministerpräsident Althaus ist im thüringischen Koalitionspoker wieder alles offen: CDU-Chefin Merkel fordert die SPD zur Bildung einer Großen Koalition auf, die will sich aber alle Optionen offen halten. Zudem deutet die Linkspartei erneut den Verzicht auf das Amt des Regierungschefs an. Eine Nachfolgerin für Althaus steht bereit.
Der plötzliche Rücktritt von Ministerpräsident Dieter Althaus bringt neuen Schwung in die Koalitionsverhandlungen in Thüringen und lässt eine schwarz-rote Koalition immer wahrscheinlicher werden. Bundeskanzlerin Merkel forderte die SPD zu zügigen Koalitionsverhandlungen auf. "Es gibt jetzt keine Ausreden mehr, in ernsthafte Gespräche einzutreten", erklärte die CDU-Vorsitzende. Auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier erwartet in dieser Woche Sondierungsgespräche. Für die Bundes-SPD bleibe es aber dabei, dass die thüringischen Parteifreunde "in eigener Verantwortung und verantwortlich" diese Verhandlungen führten.
Wie sich die thüringische Landespartei entscheidet, scheint noch offen zu seien. SPD-Chef Christoph Matschie betonte erneut, er habe weiterhin keine Präferenz für eine Große Koalition. Die SPD werde wie geplant Sondierungsgespräche sowohl mit den Christdemokraten als auch mit der Linkspartei führen, sagte er.
Wer führt die CDU?
Nach Althaus' Rücktritt soll dessen Stellvertreterin Birgit Diezel die CDU in die Sondierungsgespräche mit der SPD führen. Sie wird auch die Amtsgeschäfte als Ministerpräsidentin übernehmen, bis eine neue Landesregierung gewählt wird. Darauf hat sich die thüringische Parteiführung verständigt. Nach Angaben aus Parteikreisen soll die 51-Jährige auch Landesvorsitzende werden. Fraktionschef Mike Mohring soll sein Amt auch künftig innehaben.
Der Verhandlungsgruppe gehören nun auch Staatskanzleiminister Klaus Zeh und Sozialministerin Christine Lieberknecht an. Lieberknecht wird in der Thüringer SPD als Wunschkandidatin für das Ministerpräsidentenamt gehandelt, falls es zu einer CDU/SPD-Koalition kommen sollte.
Bei Personalentscheidungen wolle sich die Thüringer CDU nicht unter Zeitdruck setzen, sagte Diezel. Der Rückzug von Althaus sei eine persönliche Entscheidung gewesen. "Wir sind überrascht worden und sind betroffen." Es habe keine Rücktrittsforderungen der Parteigremien gegeben.
Linkspartei ohne Bedingungen
Die Linkspartei wirbt aber weiter um ein Bündnis mit der SPD, um die CDU aus der Regierung zu drängen. Ihr Spitzenkandidat Bodo Ramelow deutete an, zu weiteren Zugeständnissen an die SPD bereit zu sein. "Wir gehen ohne Vorbedingungen in die Gespräche. Und ohne Vorbedingungen heißt: Ohne Vorbedingungen", sagte Ramelow. Er deutete an, dass eine rot-rot-grüne Koalition nicht von einem linken Ministerpräsidenten geführt werden müsse. "Ich kann nicht auf etwas verzichten, was ich gar nicht habe." Am Freitag soll es erste Sondierungsgespräche zwischen SPD und Linken geben.
Althaus hatte vier Tage nach dem Debakel bei der Landtagswahl am Vormittag Regierungsamt und die Parteiführung niedergelegt. "Mit sofortiger Wirkung trete ich als Ministerpräsident des Freistaats Thüringen und als Landesvorsitzender der CDU Thüringen zurück", erklärte der 51-Jährige in einer kurzen Mitteilung in Erfurt. Für weitere Stellungnahmen stehe er nicht zur Verfügung. Auch an den eiligst einberufenen Krisensitzungen der CDU-Gremien am Nachmittag wollte er nicht mehr teilnehmen. Die CDU hatte bei der Landtagwahl am Sonntag einen dramatischen Einbruch um fast zwölf Prozentpunkte erlitten.
CDU-Führung von Rücktritt überrascht
Althaus hatte seine Entscheidung offenbar ohne Absprachen mit Landes- oder Bundespartei getroffen. "Ich habe mit Respekt die Nachricht von dem Rücktritt von Dieter Althaus gehört. Ich habe inzwischen auch mit ihm ausführlich gesprochen", sagte Bundeskanzlerin Merkel. Sie respektiere seine Entscheidung und dankte Althaus für seine Arbeit als Regierungschef in dem ostdeutschen Bundesland und "auch für eine politische Freundschaft".
"Wir respektieren seine persönliche Entscheidung", teilte auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla in Berlin mit. "Dieter Althaus hat Thüringen geprägt und nach vorn gebracht." Althaus sei ein "starker Vertreter ostdeutscher Interessen" in der CDU-Führung gewesen, sagte Pofalla. Über seine Idee eines "solidarischen Bürgergelds" werde die CDU weiter beraten.
Thüringens Regierungssprecher Fried Dahmen sagte, Althaus habe am Vormittag zunächst Staatskanzleichef Klaus Zeh informiert, danach Vertreter der Führungsmannschaft. Der Rücktritt sei eine "persönliche Entscheidung von Althaus" gewesen. "Ich möchte über Beweggründe jetzt nicht spekulieren", sagte Dahmen. Aus CDU-Kreisen in Erfurt hieß es aber auch, dass Althaus sich über fehlenden Rückhalt in seiner Partei in den vergangenen Tagen enttäuscht gezeigt habe.
Kleinen befürchten Schwarz-Rot
Die kleinen Oppositionsparteien im Thüringer Landtag sehen im Rücktritt von Althaus die Entscheidung für eine schwarz-rote Landesregierung. SPD-Spitzenkandidat "Matschie fehlt damit jede Ausrede, nicht eine große Koalition einzugehen", sagte FDP-Landeschef Uwe Barth. Der Grünen-Politiker Dirk Adams sagte, es werde mit einer CDU/SPD-Koalition nun einen "Politikwechsel light" geben. Das sei auch Schuld der Linken, die an die SPD zu hohe Forderungen gestellt habe. Grünen-Landesvorsitzende Astrid Rothe-Beinlich wollte so weit nicht gehen: "Das muss man erst einmal abwarten."
Beide Parteien begrüßten den Rücktritt des Ministerpräsidenten als konsequent. "Dieter Althaus hat ein desaströses Wahlergebnis eingefahren. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen", sagte Barth. Rothe-Beinlich erklärte: "Unser Wahlziel "Grün rein, Alt raus" ist damit nun vollständig erreicht."
Quelle: ntv.de, tis/rts/dpa