Politik

Merkel in Wahlzwickmühle Koch legt nach

Nach einer tagelangen verbalen Prügelorgie in der Großen Koalition haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) von der SPD ein gemeinsames Eintreten gegen jugendliche Gewalttäter verlangt. "Wer hierzulande die Faust erhebt, erlebt den gesammelten Widerstand der Zivilgesellschaft dieser Republik", sagte Koch bei einem CDU-Wahlkampfauftritt in Wetzlar. Dem solle sich die SPD anschließen. Beide bemühten sich sichtlich, der Debatte die Schärfe zu nehmen.

Über die CDU-Forderungen nach einem schärferen Jugendstrafrecht müsse mit der SPD "in aller Ruhe" gesprochen werden, sagte Merkel vor etwa 4500 Zuhörern. "Gewalt in diesem Land, von wem auch immer, ist nicht akzeptabel", bekräftigte die Kanzlerin, die ausdrücklich rechts- und linksextreme Gewalt mit einschloss. Es sei wichtig, Grenzen aufzuzeigen.

Koch ging nur am Rande auf den scharfen Angriff von SPD-Fraktionschef Peter Struck ein. Die SPD schwanke bei der Inneren Sicherheit "zwischen Fälschungen und Beleidigungen", sagte der Ministerpräsident. Struck hatte Koch unterstellt, er habe sich über die Gewalttat gegen einen Rentner in München gefreut, weil ihm dies sein Wahlkampfthema geliefert habe.

Koch legt nach

Koch legte bei seinen Forderungen nach einer schärferen Gesetzgebung gegen kriminelle Jugendliche dennoch noch einmal nach: Er forderte, das Jugendstrafrecht auch bei unter 14-Jährigen anzuwenden. Es gebe eine "sehr aggressive Kriminalität einer sehr kleinen Gruppe von Menschen unter 14 Jahren", sagte der CDU-Politiker der "Bild am Sonntag". "Oft werden diese Jugendlichen auch noch von Erwachsenen benutzt, die genau auf die Strafunmündigkeit der Täter setzen", ergänzte Koch. "In Ausnahmefällen könnten Elemente des Jugendstrafrechts für diese Zielgruppe eingesetzt werden." Eine weitere Antwort auf derartiges Verhalten sei die striktere Entziehung des Sorgerechts durch die Jugendbehörden.

Zugleich kritisierte Koch die Justiz. "Die Richter, die als einzige Strafen aussprechen können, gehen mit diesem Instrument wenig selbstbewusst um. Auch bei 20-Jährigen, die ansonsten ja auch wie Erwachsene behandelt werden wollen, wenden sie Jugendstrafrecht an, um mildere Strafen verhängen zu können." Das sei das falsche Signal.

Armutszeugnis für Koch

Hessen hat seit Kochs Regierungsantritt 1999 mit die höchste Zunahme von Jugendgewalt bundesweit. Dies geht aus Berechnungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens (KFN) auf Basis der offiziellen Polizeistatistik hervor. Demnach stieg die Zahl schwerer und gefährlicher Körperverletzungen durch 14- bis 18-Jährige in Hessen zwischen 1999 und 2006 um 66 Prozent, im restlichen Bundesgebiet um 28 Prozent.

Die Gewaltkriminalität Jugendlicher insgesamt, zu der auch Raub und Vergewaltigung zählen, nahm in Hessen um 35 Prozent zu, in den anderen Ländern um 12 Prozent Eine der Ursachen dürften die langwierigen Jugendgerichtsverfahren in Hessen sein, sagte Christian Pfeiffer vom KFN der "Süddeutschen Zeitung".

Merkel in der Zwickmühle

Unterdessen sehen immer mehr Politiker Kanzlerin Angela Merkel wegen ihrer Schützenhilfe für Koch in der Wahlkampfzwickmühle. In die Debatte über den CDU-Wahlkampf zum Thema Jugendgewalt hat sich nun auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), eingeschaltet. Er griff in der Berliner "taz" die Kanzlerin scharf an: "Ich bin fassungslos darüber, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel sich dem ausländerfeindlich geprägten Treiben des hessischen Ministerpräsidenten nicht etwa in den Weg stellt, sondern ihn auch noch unterstützt. So ein Verhalten ist einer deutschen Regierungschefin nicht würdig."

Edathy fügte hinzu: "Frau Merkel kann sich weitere Integrationsgipfel in die Haare schmieren, sie hat an Glaubwürdigkeit erheblich verloren." Man müsse die Ängste der Menschen ernst nehmen - auch die Furcht vor Gewalt. Aber in der von Koch angestoßenen Debatte über Jugendgewalt sei etwas ganz anderes geschehen. "Hier werden gezielt Ängste in der Bevölkerung geschürt - um daraus Stimmen für Landtagswahlen zu gewinnen. Es spricht nicht für die Charakterstärke der Bundeskanzlerin, dass sie dabei mitmacht", sagte der SPD- Innenpolitiker.

Koch will gewinnen

Koch will am 27. Januar wiedergewählt werden. Im Wahlkampf hatte er Ende Dezember eine Debatte um den Umgang mit jugendlichen kriminellen Ausländern begonnen. Die SPD beschuldigt den Ministerpräsidenten, mit seiner Kampagne von Versäumnissen in der hessischen Landespolitik ablenken zu wollen. Koch hat dem Hessischen Richterbund zufolge Stellen bei Polizei und Justiz gestrichen. Hessen liegt bei der Bearbeitungsdauer von Jugendstrafsachen an Amts- und Landgerichten im Bundesländervergleich ganz hinten.

CDU zahlt Preis

Koch dagegen erklärte, heute arbeiteten 1131 Polizisten mehr auf der Straße als bei seinem Regierungsantritt. Das Problem der zu langen Verfahrensdauer bei den Gerichten werde er lösen.
Unterdessen macht Koch die große Koalition für mögliche Verluste der CDU bei den bevorstehenden Landtagswahlen verantwortlich. Natürlich zahle auch die Union "einen Preis für die große Koalition", sagte Koch. "Aber im Verhältnis zur SPD stehen wir gut da und haben alle Chancen, alle drei Landtagswahlen erfolgreich zu bestehen."

Koch fügte hinzu: "Die CDU hatte bei den letzten Landtagswahlen angesichts des damals völlig verpatzten Starts von Rot-Grün nach der Bundestagswahl 2002 eine ganz andere Mobilisierungschance. Jetzt sind wir Teil einer großen Koalition. Es ist ganz normal, dass eine große Koalition für beide Parteien nicht gerade mobilisierend wirkt."

Warnung vor den Linken

Merkel und Koch warnten in Wetzlar vor einem Einzug der Linken in den Landtag. "Das sind stinknormale Kommunisten", denen ein wirtschaftsstarkes Bundesland wie Hessen nicht in die Hände fallen dürfe. Der Spitzenkandidat der Linken in Hessen, Willi van Ooyen, hatte Koch als einen "schießwütigen Gewalttäter" bezeichnet, weil in dessen Reden oft von Schießen die Rede sei.

Quelle: ntv.de

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