Neue Ära der Zusammenarbeit Köhler lädt Obama ein
20.01.2009, 21:57 UhrDie deutsche Politik setzt nach dem Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama auf ein rasches Ende der amerikanischen Alleingänge. Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet eine neue Ära in der internationalen Zusammenarbeit. Sie hoffe, dass sie durch gegenseitiges Zuhören geprägt werde, sagte Merkel in der ARD.
Entscheidungen müssten auf der Grundlage fallen, "dass nur ein Land alleine die Probleme der Welt nicht lösen kann, sondern dass wir das gemeinsam miteinander schaffen". Auch bei der Lösung der Finanzkrise erwartet die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende von der neuen US-Führung einen stärkeren multilateralen Ansatz. Als größte Volkswirtschaft der Erde sei die USA der Schlüssel zur Bewältigung der Krise. Auch bei der weiteren Abrüstung und beim Klimaschutz sieht die Kanzlerin Handlungsbedarf.
Einladung nach Deutschland
Bundespräsident Horst Köhler schrieb in einem Glückwunsch-Telegramm an Obama: "Frieden und Freiheit, Wohlstand und Umwelt lassen sich nur in gemeinsamer Verantwortung sichern und bewahren." Gleichzeitig lud Köhler Obama zu einem baldigen Besuch nach Deutschland ein. "Deutschland weiß sich den Vereinigten Staaten besonders verbunden. Dass wir Deutsche in diesem Jahr Freiheit und Einheit feiern können, verdanken wir ganz besonders auch unseren amerikanischen Freunden und Partnern."
Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden, sagte bei n-tv: "Allein die Tatsache seiner Wahl, die die Lebendigkeit der Demokratie der Vereinigten Staaten gezeigt hat, und auch die vielen neuen Ansätze, die er insbesondere in der Innen- und Wirtschaftspolitik versprochen hat, sorgen ja dafür, dass viele Menschen Hoffnungen und Erwartungen mit ihm verbinden - nicht nur in den USA, sondern auch außerhalb der USA auf der ganzen Welt."
Internationale Glückwünsche
Auch Staats- und Regierungschefs aus aller Welt gratulierten Obama, darunter Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premier Gordon Brown. Sarkozy sagte Obama in seiner Gratulation zu, "Hand in Hand zu arbeiten", um sich gemeinsam mit den USA den weltweiten "enormen Herausforderungen" zu stellen. Brown sprach von einem "neuen Kapitel in der amerikanischen wie auch der Weltgeschichte". Obama sei nicht nur der erste schwarze US-Präsident, sondern auch entschlossen, die Probleme der Welt zu lösen.
Spaniens Ministerpräsident Jos Luis Rodriguez Zapatero erklärte, Obamas Amtseinsetzung nähre die Hoffnung, dass in internationalen Konflikten künftig Dialog und Frieden eine große Rolle spielten. Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi rief Obama dazu auf, "sich den gegenwärtigen Herausforderungen gemeinsam zu stellen". Der kanadische Regierungschef Stephen Harper sprach von einem "historischen Tag". Er versicherte Obama, dass er sich darauf freue, mit der neuen US-Regierung zusammenzuarbeiten.
Die Europäische Union forderte Obama zu einer engen Zusammenarbeit im Umgang mit der weltweiten Wirtschaftskrise und dem Nahost-Konflikt auf. "Zusammenarbeit ist einer der besten Wege, um den Bedürfnissen und Hoffnungen der Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks gerecht zu werden", erklärte die tschechische Ratspräsidentschaft. EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso sprach angesichts von Obamas Amtsantritt von einem "Wendepunkt" für die USA und möglicherweise auch für den Rest der Welt.
Papst Benedikt XVI. ermutigte Obama, sich für "Verständigung, Zusammenarbeit und Frieden" zwischen den Nationen einzusetzen. Er werde dafür beten, dass Gott ihm für seine großen Verpflichtungen Weisheit und Stärke leihe.
NATO-Gipfel im April
In Berlin und zahlreichen anderen Städten wurde Obamas Amtsantritt begeistert gefeiert. Laut Merkel kommt er mit großer Wahrscheinlichkeit am 3. April zum NATO-Jubiläum nach Deutschland. Nach Angaben des Koordinators für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt, wird die Kanzlerin noch vorher nach Washington reisen. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier plant einen baldigen Besuch in Washington.
Steinmeier forderte eine "Neue Transatlantische Agenda" bei der Bewältigung von Zukunftsaufgaben wie der Bekämpfung des Klimawandels, der Energiesicherheit, weltweiter Abrüstung und der Bewältigung internationaler Konflikte. Er rechnet mit einem "engen Schulterschluss" mit Obama in zentralen Fragen. "Wie wir muss er sich mit ganzer Kraft gegen die Wirtschaftskrise stemmen", sagte der Vize-Kanzler der "Passauer Neuen Presse".
"Wir wollen Konsultationen"
Auch der SPD-Politiker Karsten D. Voigt, Koordinator der deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit im Bundestag, hofft auf einen Neubeginn der deutsch-amerikanischen Beziehungen: "Wir wollen Konsultationen. Wir wollen nicht nur über in Washington gefällte Entscheidungen informiert werden, sondern wir wollen - bevor solche Entscheidungen endgültig gefallen sind - konsultiert werden", sagte er bei n-tv.
SPD-Chef Franz Müntefering rechnet mit neuen Anforderungen der Amerikaner an Deutschland und Europa. Der neue US-Präsident werde "für uns Deutsche, uns Europäer anstrengend sein, uns fordern", sagte Müntefering der "Passauer Neuen Presse". "Das können wir aber auch gebrauchen." Er hoffe auf eine intensive Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa.
"Klug, sehr genau überlegt, vernünftig"
"Wir werden die amerikanische Administration auffordern, Russland als ein eigenständiges Thema zu nehmen - Russland nicht nur in Zusammenhang mit Raketenabwehr, mit Abrüstung, in Zusammenhang mit der Nahost-Politik als ein politisches Thema anzugehen, sondern eine eigenständige Russland-Politik zu betreiben", sagte der Russland-Beauftragte der Bundesregierung und Vize-Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff, bei n-tv. "Wir können die wesentlichen Sicherheitsfragen Europas - aber auch Amerikas - nicht gegen, sondern nur mit Russland lösen."
Nach den Worten von Gert Weisskirchen, außenpolitischer Sprecher der SPD, weiß Obama ganz genau, dass "Hard-Power", also der Einsatz von militärischer Gewalt, eine der Ursachen war, warum er die Möglichkeit hatte, Präsident zu werden. "Aber auf der anderen Seite wird er auch nicht nur auf 'Soft-Power' setzen, also auf reine Diplomatie und nur - und ausschließlich - auf enge zivile Kooperation", sagte Weisskirchen bei n-tv. "Er wird etwas anderes machen, glaube ich. Er wird 'Smart-Power' sein, also klug, sehr genau überlegt, vernünftig und immer wieder neu den Punkt finden, wie man mit anderen gemeinsam die Probleme besser bewältigt, die man alleine nicht bewältigt."
Warnung vor Glorifizierung
Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle verlangte neue Abrüstungsinitiativen Deutschlands und der EU. "Wir sollten den neuen amerikanischen Präsidenten beim Wort nehmen, wenn er auf Abrüstung in der Welt drängt", sagte Westerwelle in Berlin. Es müsse eine europäische Antwort darauf geben. "Die deutsche Außenpolitik muss sich wieder mit Abrüstungsinitiativen in der Welt zu Wort melden", so Westerwelle.
Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sagte: "Die Welt hofft auf starke Vereinigte Staaten, die der internationalen Völkergemeinschaft zugewendet sind." Linksfraktionschef Gregor Gysi sagte: "Die Menschheit möchte eine andere USA" - eine USA, die dem Völkerrecht wieder zur Geltung verhelfe und Krieg nicht als Mittel der Politik ansehe. CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg warnte im Fernsehsender N24 vor einer Glorifizierung Obamas zu einem "neuen Messias".
Nach Ansicht des SPD-Außenpolitikers Rolf Mützenich muss Merkel wegen ihrer "über das angemessene Maß hinaus gehenden Nähe" zum bisherigen US-Amtsinhaber George W. Bush bei der Obama-Administration noch viel Überzeugungsarbeit leisten. "Frau Merkel wird natürlich damit zu kämpfen haben, dass sie als Oppositionsführerin Bush beim Irak-Krieg vorbehaltlos unterstützt hat", sagte Mützenich. Ebenso wie die damalige rot-grüne Bundesregierung habe Obama diese Militärintervention abgelehnt.
Quelle: ntv.de