Ausstieg ohne Kündigungen Kohle-Gipfel in Berlin
29.01.2007, 07:29 UhrDer bis spätestens 2018 vorgesehene Ausstieg aus dem Steinkohle-Bergbau soll für die rund 33.000 Bergarbeiter ohne betriebsbedingte Kündigungen über die Bühne gehen. "Wir wollen den Arbeitsplatzabbau, der damit verbunden ist, sozialverträglich machen. Niemand muss Angst haben, auf der Straße zu stehen", sagte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) am Montag im ZDF.
Am Montagabend berieten die Koalitionsspitzen unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin über Eckpunkte eines Steinkohle-Gesetzes. Damit ist prinzipiell auch der Weg für den jetzt im Herbst geplanten Börsengang des Essener Bergbau- und Mischkonzerns RAG frei.
Keine betriebsbedingten Kündigungen
Auch Nordrhein-Westfalens Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) betonte, er werde keine Vereinbarung unterschreiben, die betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließe. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte, die "bisherige Sozialverträglichkeit in dem Sinkflug des Bergbaus" müsse fortgesetzt werden. "Und das früheste Datum, wo es kein Risiko mehr für betriebsbedingte Kündigungen gibt, ist das Datum 2018. Deshalb lassen wir uns darauf ein", sagte Steinbrück in der ARD. Er halte eine endgültige Einigung noch in dieser Woche für erstrebenswert.
Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sagte, der Anpassungsprozess in den Bergbauregionen könne ohne betriebsbedingte Kündigungen in einem "überschaubaren Zeitraum" zu Ende geführt werden. Auch DGB-Chef Michael Sommer äußerte die Hoffnung, den Ausstieg sozialverträglich zu beenden.
Glos spricht von "Durchbruch"
Glos bezeichnete die am Sonntagabend bei einem Kohlegipfel in Berlin erreichte weitgehende Verständigung von Bund und Ländern über einen Ausstieg spätestens im Jahr 2018 als einen "Durchbruch". In Nordrhein-Westfalen, wo 7 der 8 noch aktiven Zechen liegen, hinterließen die Nachrichten Fragen und Unsicherheiten. Zwar werteten Vertreter aller vier Landtagsfraktionen die Verhandlungen als wichtigen Schritt. CDU, FDP und Grüne warnten allerdings vor noch unkalkulierbaren finanziellen Risiken für das Land.
"Der Ausstieg ist noch nicht unter Dach und Fach", sagte Rüttgers. "Es gibt sehr viele komplizierte Fragen, die noch gelöst werden müssen." Weder sei am Sonntagabend ein fester Termin für den Ausstieg aus der subventionierten Steinkohle vereinbart, noch geklärt worden, wer die Haftungsrisiken für die Altlasten und Ewigkeitskosten übernimmt. Die Oppositionsführerin der NRW-SPD, Hannelore Kraft, stellte am Montag vor einer Vorstandssitzung ihrer Partei in Berlin fest: "Wir sind noch ganz schön weit auseinander."
Investition in zukunftssichere Jobs
Rüttgers sprach sich dafür aus, mit den durch einen Kohle-Ausstieg frei werdenden Gelder den Strukturwandel im Ruhrgebiet voranzutreiben. Dort müsse in neue, zukunftssichere Arbeitsplätze investiert werden, sagte er im ZDF. Die in Düsseldorf mitregierende FDP forderte vom Bund eine "faire Lastenteilung", wie Landeschef Andreas Pinkwart sagte. Der Energie-Experte der Unions-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, sagte, ein Ausstieg erst 2018 sei viel zu spät: "Gegenüber einem Auslaufen der Subventionen in 2012 kostet dies den Steuerzahler 24 Milliarden Euro mehr."
Die SPD hatte am Sonntagabend ihren grundsätzlichen Widerstand gegen ein Auslaufen des Steinkohle-Bergbaus spätestens im Jahr 2018 aufgegeben. Bund und Länder zahlen jährlich bis zu 2,5 Milliarden Euro an Beihilfen. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte, die Bergleute brauchten bis 2018 Planungssicherheit. Prinzipiell befürworte die SPD ein Festhalten auch über dieses Datum hinaus. Auf Grundlage der Klausel 2012 könne jedoch eine Einigung mit der Union erzielt werden. "Die CDU will, dass die Tür zugemacht wird. Die SPD will die Tür offen halten. Der Kompromiss ist, dass wir die Tür anlehnen", sagte Heil.
Quelle: ntv.de