Jedes Jahr sterben 3100 Menschen an Abgasen Kohleausstieg würde Leben retten
03.04.2013, 18:30 Uhr
Durch das Kraftwerk Jänschwalde sterben angeblich jedes Jahr 169 Menschen - der Betreiber widerspricht.
(Foto: dpa)
Nachdem der Atomausstieg in Deutschland beschlossen ist, macht sich Greenpeace an das nächste Projekt: Auch durch das Verbrennen von Kohle soll kein Strom mehr entstehen. Die Organisation hat gute Argumente – auch abseits des bekannten Treibhauseffekts.
Die Zahlen machen einen bedrohlichen Eindruck: 373 Menschen sterben jährlich an den Abgasen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde im brandenburgischen Peitz, behauptet die Umweltorganisation Greenpeace. 269 Leben fordert ein Meiler in Bergheim bei Köln. Insgesamt sterben an den Abgasen deutscher Kohlekraftwerke jedes Jahr 3100 Menschen.
Die Daten sind das Ergebnis einer Modellrechnung, die Greenpeace bei der Universität Stuttgart in Auftrag gegeben hat. Die Wissenschaftler addierten die Schadstoffe, die bei der Kohleverbrennung entstehen, zusammen und errechneten, wie viele Menschen diese Stoffe einatmen. Dann verglichen sie die Ergebnisse mit anderen Studien, die die Gefahren der Schadstoffe berechnet hatten.
Laut dieser Modellrechnung verursachten Schwefeldioxid, Stickoxide und Feinstaub jährlich den Verlust von insgesamt 33.000 Lebensjahren. Außerdem fielen jedes Jahr rund 700.000 Arbeitstage aus, weil Beschäftigte an Atemwegsleiden, Lungenkrebs oder Asthmaanfällen erkrankten oder Herzinfarkte erlitten.
Betreiber wehren sich
Die Krankheiten und Todesfälle werden laut Greenpeace längst nicht nur durch alte Kraftwerke verursacht. Auch durch das erst 2012 in Betrieb gegangene Braunkohlekraftwerk im rheinischen Grevenbroich sterben demnach jährlich 214 Menschen. Nicht viel besser steht es um die Kraftwerke, die derzeit geplant oder gebaut werden.
Greenpeace fordert, die Kohleverstromung bis 2040 zu beenden. Für die Übergangszeit müssten alle Kohlekraftwerke mit der besten verfügbaren Filtertechnik ausgerüstet werden. Auch durch eine 2016 in Kraft tretende EU-Vorschrift seien noch zu viele Schadstoffe erlaubt. So dürften bei der Produktion von einer Megawattstunde Strom 512 Gramm Schwefeldioxid entstehen, während mit neuester Technik der Wert auf 127 Gramm gesenkt werden könnte. Auch der Grenzwert für Feinstaubausstoß sei drei Mal so hoch wie nötig.
Die Kraftwerksbetreiber bezeichneten die Untersuchung als irreführend. Die Luftqualität im Umfeld der eigenen Kraftwerke werde in der Gesamtschau "praktisch nicht oder nur unwesentlich" durch deren Emissionen beeinflusst, teilte Vattenfall mit. Das zeigten Messungen der Behörden. Der Branchenverband VGB PowerTech warf Greenpeace vor, wichtige Fakten auszublenden. Nach Ansicht von Experten bestimmten nicht die Emissionen von Anlagen an sich das gesundheitliche Risikopotenzial, sondern die Nähe der Quelle zu den Menschen und die Art der Feinstaubpartikel. Daher seien vor allem Abgase aus dem Verkehr und den Heizungen von Wohnhäusern zu beachten.
Quelle: ntv.de, mit AFP