Wähler verlassen Berlusconi Komiker wird Italiens neuer Star
08.05.2012, 16:02 Uhr
Beppo Grillo mischt Italiens Politik auf.
(Foto: dpa)
Ausgerechnet ein Komiker ist die Hoffnung vieler Italiener. Seine Auftritte sind Shows gegen die Kaste der Politiker, gegen diebische Manager und bürgerfeindliche Verwaltungen. Nun erringt Grillos "Bewegung Fünf Sterne" bei den Kommunalwahlen enorme Erfolge, während Berlusconis Partei in der Bedeutungslosigkeit versinkt.
Der neue Stern am politischen Firmament heisst Beppe Grillo, ein 64jähriger Komiker aus Genua. Seine Liste "Bewegung 5 Sterne" (Movimento 5 Stelle = M5S) hat bei den Kommunalwahlen am Sonntag und Montag in vielen Städten und Gemeinden Italiens einen enormen Erfolg errungen. In einer Großstadt wie Parma kam der Kandidat Grillos sogar auf 19,5 Prozent und wird nun die Stichwahl mit dem Kandidaten der Linkskoalition bestreiten. Zum Vergleich: der Kandidat der Berlusconi-Partei PdL, die bisher den Bürgermeister stellte, blieb sogar unter 10 Prozent.
Seit 1994 dominierten nur zwei große Koalitionen die Politik Italiens, die Demokratische Partei PD und mit ihr verbündete kleine linke Gruppierungen sowie die Partei Berlusconis, die sich heute Partei der Freiheit, Partito della Libertà nennt, und die mit ihr fest verbündete Liga Nord, die die Loslösung des Nordens ("Padanien) von Italien fordert. Berlusconis PdL wurde von den 9,5 Millionen Wählern am letzten Wochenende politisch zerstört. Einen Absturz von 40 auf weniger als 10 Prozent kann man getrost als das politische Aus für bezeichnen. Auch die erlitt schwere Verluste, schaffte aber immerhin noch die Rückeroberung des Bürgermeisteramtes von Verona.
Seit Monaten ist Berlusconi aus den Medien verschwunden, nun haben ihn auch die Wähler verlassen. Sicher, Kommunalwahlen sind keine Parlamentswahlen, aber die Tendenz ist eindeutig. Die Liga Nord büßt vor allem für die Skandale um ihren Gründer Umberto Bossi, dessen Familien die Partei- und Staatskasse in jeder Form geplündert hat: Wer als Erneuerer gegen die "Diebe in Rom" (Roma ladrona) antrat, und nun genau stiehlt, wird von den Wählern bestraft.
Die große Neuheit ist aber Beppe Grillos Bewegung. Seit Jahren betreibt Grillo einen Blog, auf dem die Räubereien der Parteien in aller Breite täglich nachzulesen sind. Beppe Grillos Auftritte sind Shows gegen die Kaste der Politiker, gegen diebische Manager und bürgerfeindliche Verwaltungen. Grillo hat heute den Ruf der Ombudsman der einfachen Bürger zu sein, auf seinem Blog darf jeder die bösesten Anklagen veröffentlichen. Sein Ruf ist untadelig, auch wenn Grillo in der Vergangenheit nicht selten Scharlatanen auf den Leim gegangen ist, wenn er zum Beispiel hahnebüchene Krebskuren wie die vom Hausarzt Di Bella propagandierte. Heute ist Grillos Bewegung zur drittstärksten politischen Gruppierung Italiens geworden - ohne überhaupt eine Partei zu sein.
Anhänger ohne Rechte
Die Bewegung Grillos hat keinerlei Parteiorgane und "Mitglied" wird man, indem man sich als Fan im Blog Grillos einträgt. Die eingetragenen Fans ("aderenti") von Grillo haben dabei keinerlei Rechte: Die Blog-Verwaltung Grillos -"Staff" genannt- kann sie jederzeit per Mausklick aus der Liste streichen. Der Blog und der Name "Movimento 5 Stelle" sind eingetragene Markenzeichen von Beppe Grillo, der auf seiner Blog-Seite zahlreiche Videos seiner Veranstaltungen, Filme und Bücher gegen Entgelt vertreibt. Auf lokaler Ebene dürfen die Fans der "Meet-ups" über die Kandidaten mitbestimmen, doch das nationale Programm hat allein Grillo geschrieben, der gerne Anregungen entgegennimmt, wie er in seinem Blog schreibt. Sobald sich jedoch ein Grillo-Fan beim Gründer und Eigentümer des Blogs unbeliebt macht, wird ihm per "post" im Blog mitgeteilt, er sei nun "draußen", wie im jüngsten Fall des M5S-Fans Valentino Tavolazzi aus Ferrara geschehen. Widerspruchsrecht, demokratische Entscheidungsfindungen: Totale Fehlanzeige bei Beppe Grillo.
Das Fehlen einer demokratischen Struktur in seiner Bewegung, die totale Unterwerfung unter Grillo hat die Wählern aber bisher nicht gestört. Der Grund mag sein, dass die gänzliche Abwesenheit innerparteilicher Demokratie in Italiens Parteienlandschaft üblich ist. Die meisten Parteien halten weder Parteitage ab noch lassen sie die Mitglieder irgendwie am Parteileben teilnehmen und die Kandidaten für die Wahlen werden direkt vom Parteichef bestimmt: daran hat sich, so scheint's, Italienl gewöhnt. Doch während die "normalen" Parteien auf dem Papier wenigstens noch Statuten haben – die sie regelmäßig verletzen – hat Beppe Grillo das alles gleich abgeschafft: Man wird sein Fan per Mausklick und mehr Rechte hat man nicht, außer eben Fan zu sein. Wenn die Italiener Grillo wählen, dann aus Wut auf die anderen.
Quelle: ntv.de