Polen wählen Europa Komorowski wird Präsident
05.07.2010, 16:17 UhrPolen hat einen neuen Präsidenten gewählt. Der liberal-konservative Parlamentschef Bronislaw Komorowski setzt sich in der Stichwahl gegen Jaroslaw Kaczynski durch. Damit endet die politische Konfrontation zwischen Staatschef und Regierung. Nun gebe es "keine Entschuldigung, Reformen nicht durchzubringen".

Komorowski gilt als wenig charismatisch, doch schätzt man seinen Pragmatismus.
(Foto: dpa)
Nach dem Sieg von Bronislaw Komorowski bei der Präsidentschaftswahl in Polen wächst der Druck auf die liberale Regierung, umfassende Reformen anzupacken. Experten und Presse betonten, dass es keine Ausrede mehr für stockende Reformen gebe, weil der Präsident nun aus dem Regierungslager stamme. Komorowski erklärte nach dem Wahlsieg, er wolle das gespaltene Land einen.
Der 58-jährige Liberale Komorowski gewann die Stichwahl um das Präsidentenamt mit sechs Prozentpunkten Vorsprung. Komorowski bekam 53 Prozent der Stimmen, sein Rivale, der rechts-nationale Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, kam laut Endergebnis auf 47 Prozent.
Kaczynski räumte seine Niederlage ein und wertete das knappe Ergebnis zugleich als "großartige Probe" für die Parlamentswahl im kommenden Jahr. "Wir müssen Polen weiter verändern: Vor uns liegen Kommunal- und Parlamentswahlen", sagte er vor Anhängern in Warschau. Diese müsse seine Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gewinnen.
"Es gibt keine Ausrede mehr"
Den ersten Wahlgang am 20. Juni hatte Komorowski mit fünf Prozentpunkten Vorsprung vor Kaczynski gewonnen. Die Präsidentenwahl musste nach dem tragischen Tod von Lech Kaczynski, dem Zwillingsbruder von Jaroslaw Kaczynski, vorgezogen werden. Er war im April beim Absturz der Präsidentenmaschine mit 95 weiteren Insassen in der Nähe der westrussischen Stadt Smolensk ums Leben gekommen. Der damalige Parlamentspräsident Komorowski rückte daraufhin übergangsweise an die Staatsspitze.

Kaczynski dürfte auf der politischen Bühne keine Chance mehr haben. Nach seiner Abwahl als Regierungschef fiel er jetzt als Präsidentschaftskandidat durch.
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Lech Kaczynski hatte die Politik des liberalen Ministerpräsidenten Donald Tusk wiederholt blockiert. Während seiner Präsidentschaft legte er 18 Mal sein Veto gegen Gesetze der Regierung ein. Mit Komorowski an der Staatsspitze kann die Regierung nun ungehindert Reformen auf den Weg bringen, was von Beobachtern umgehend eingefordert wurde.
"Es gibt keine Ausrede mehr", sagte der Warschauer Soziologe Edward Wnuk-Lipinski. Bis zur Parlamentswahl hätten Tusk und seine Minister "500 Tage Zeit", um sich als "wirkungsvolle Regierung" zu präsentieren. Auch der Danske-Bank-Ökonom Lars Christensen sagte, nun gebe es "keine Entschuldigung, Reformen nicht durchzubringen". Die polnische Boulevardzeitung "Fakt" schrieb auf ihrer Titelseite an die Adresse der Regierung: "Ihr habt jetzt alle Macht. Zeigt uns, was ihr anzubieten habt. Ihr habt ein Jahr."
Glückwunschschreiben aus Berlin
Komorowski kündigte an, in seiner fünfjährigen Amtszeit das Land stärker einen zu wollen. "Spaltungen sind ein untrennbarer Teil der Demokratie", erklärte er am Sonntagabend. "Aber wir müssen daran arbeiten sicherzustellen, dass diese Spaltungen Zusammenarbeit nicht verhindern." Kaczynskis Anhänger sind überwiegend älter und aus ländlichen Gebieten, Komorowskis Unterstützer sind vor allem junge Leute und Städter.
Wegen Kaczynskis europaskeptischer Haltung war die Präsidentenwahl im Ausland mit Spannung verfolgt worden. "Die souveräne Entscheidung des polnischen Volkes für Bronislaw Komorowski ist ein starkes pro-europäisches Signal", erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) in Berlin. Bundespräsident Christian Wulff schrieb in einem Glückwunschschreiben, er sei überzeugt, dass nach Komorowskis Wahl die beiderseitigen "freundschaftlichen Beziehungen" auch "im Interesse der europäischen Integration" weiter vertieft würden.
Quelle: ntv.de, dpa