Politik

Politischer Aschermittwoch Kontrahenten handzahm

Für das Superwahljahr vergleichsweise zurückhaltend haben die Parteien am politischen Aschermittwoch über die richtigen Antworten auf die tiefe Wirtschaftskrise gestritten. "Der Staat, das sind wir alle gemeinsam", sagte CDU-Chefin Angela Merkel in Demmin. Der von einer Erkältung sichtlich geschwächte CSU-Chef Horst Seehofer attackierte auf der traditionellen CSU-Kundgebung in Passau zwar die politischen Gegner, schlug gleichzeitig aber ein überparteiliches Bündnis zur Überwindung der Krise vor.

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier zog die Regierungsfähigkeit der Union und die Durchsetzungsfähigkeit von Kanzlerin Merkel in Zweifel. FDP, Grüne und Linkspartei warfen der Großen Koalition sieben Monate vor der Bundestagswahl vor, nicht die richtigen Rezepte zu haben.

Spareinlagen der Kunden retten

Jeder trage die Verantwortung, der Staat könne nur Brücken bauen, sagte Merkel bei der Veranstaltung der CDU in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern. 2009 werde auch ein Jahr der schlechten Nachrichten sein. "Diese sollen uns aber nicht niederknüppeln und depressiv machen." Sie verteidigte das Bankenrettungspaket der Bundesregierung. Es gehe dabei keinesfalls um "Verstaatlichung", sagte sie. Wer dieses mit der Politik der DDR vergleiche, wisse nicht, wie "die Menschen in der DDR gelebt haben". Es gehe vor allem darum, die Spareinlagen der Kunden zu retten.

Pakt für Deutschland

Nach Meinung von Seehofer sollte zur Beilegung der Krise auf politischen Streit in der nächsten Zukunft verzichtet werden. "Lasst uns einen Vertrauenspakt zwischen der Bevölkerung und der Politik schließen", sagte Seehofer in seiner 80-minütigen Rede. Mittelstand, Unternehmen, Arbeitnehmer und Politik müssten jetzt gemeinsam Entscheidungen treffen. Dann werde man "die größte Krise in der Geschichte der Bundesrepublik überwinden", meinte er vor mehreren tausend Zuhörern.

Rhetorik bezüglich Schwan

Während Seehofer bei seinem Aschermittwochs-Debüt die SPD attackierte, vermied er weitgehend Angriffe auf die FDP, mit der die CSU in Bayern zusammen regiert. Der SPD im Bund warf der bayerische Ministerpräsident Unglaubwürdigkeit im Umgang mit der Linken vor. Zugleich forderte Seehofer die SPD auf, die Kandidatur ihrer Bewerberin Gesine Schwan für das Bundespräsidentenamt zurückzuziehen. "Versenkt endlich den Schwan, damit Horst Köhler am 23. Mai wieder Bundespräsident wird."

Schwarzes Durcheinander

Steinmeier hielt der Union in Cuxhaven mangelndes Verantwortungsbewusstsein vor. "Das schwarze Durcheinander schadet unserem Land." SPD-Chef Franz Müntefering sagte vor Parteianhängern in Ludwigsburg bei Stuttgart: "Die CDU und CSU sind nicht mehr in der Lage, dieses Land verantwortlich zu regieren. Es ist gut, dass die Sozialdemokraten mit da drin sind." Im nächsten Koalitionsausschuss wollten die Sozialdemokraten eine Deckelung der Managergehälter durchsetzen, was auf den Widerstand der Union treffen dürfte. Die CDU-Vorsitzende Merkel wollte am Abend in Demmin in Vorpommern sprechen.

Marsch in den Sozialismus

FDP-Chef Guido Westerwelle warnte die schwarz-rote Koalition in Passau vor einem Marsch in den "schleichenden Sozialismus". Deutschland stehe in diesem Jahr vor der Entscheidung für eine erneuerte soziale Marktwirtschaft oder einer "DDR light". Statt Milliarden in Krisen-Unternehmen zu stecken, sollte das Geld lieber den Bürgern gegeben werden. Die FDP will im Superwahljahr enttäuschte Unionswähler abwerben.

Ampel nicht ausgeschlossen

FDP-Chef Guido Westerwelle unterstrich den Regierungsanspruch der Liberalen im Bund. Auch ein Bündnis mit SPD und Grünen schloss er in seiner Rede zum Politischen Aschermittwoch nicht kategorisch aus. Nach Lage der Dinge gebe es für die FDP die größere Gemeinsamkeit mit der Union, sagte Westerwelle in Passau. "Nur weil die Union nach links geht, werden SPD und Grüne ja nicht schöner", fügte er hinzu. Entscheidend sei für die FDP, die Große Koalition abzulösen und zugleich ein Linksbündnis aus SPD, Linken und Grünen zu verhindern.

Sittenwidrige Gehälter

Parteiübergreifend kritisierten die Politiker eine wachsende soziale Ungerechtigkeit und forderten die Begrenzung von Managergehältern und überhöhten Bonus-Zahlungen. "Sittenwidrig niedrige und sittenwidrig hohe Gehälter spalten die Gesellschaft", sagte Müntefering. Seehofer sagte, er verstehe es nicht, wenn einer Kassiererin wegen 1,30 Euro gekündigt werde und Manager, die Milliarden verscherbelt hätten, noch im Amt seien.

Die Grünen forderten einen "grünen Gesellschaftsvertrag" als soziales und ökologisches Krisenmanagement. Spitzenkandidat Jürgen Trittin sagte in Landshut, bei der Bundestagswahl Ende September müsse eine Koalition von CDU/CSU und FDP verhindert sowie die Große Koalition beendet werden. Grünen-Chef Cem Özdemir wetterte gegen die Linke. Gerechtigkeit heiße bei dieser Partei, dass man viel Geld in die Hand nehme und es den Leuten einfach gebe, sagte der ehemalige Europapolitiker in Biberach. An den Strukturen habe man damit aber noch nichts geändert. Spannender sei die Frage, ob die nächste Generation eines Hartz-IV-Empfängers auch noch die Leistung beziehe. Die Linke wolle lediglich Geld verteilen und sich dann nicht mehr kümmern, kritisierte Özdemir.

Europas Währung in Gefahr

Linksparteichef Oskar Lafontaine warnte angesichts der Finanzkrise vor einem Zusammenbruch des europäischen Währungssystems mit dramatischen Folgen auch für Deutschland. Der frühere SPD- Finanzminister sagte in einem Gespräch mit der Deutschen Presse- Agentur dpa am Mittwoch in Berlin: "Die Volkswirtschaften driften auseinander, in Osteuropa stürzen die Währungen ab. Damit kommen auch auf Deutschland Probleme zu." Schuld an der Krise seien auch fehlende Absprachen in der EU, Spekulationsgeschäfte auf Wechselkurse von Währungen und "deutsches Lohndumping".

Wurzeln im 16. Jahrhundert

Die Wurzeln des politischen Aschermittwochs liegen im niederbayerischen Vilshofen. Dort feilschten die Bauern schon im 16. Jahrhundert auf dem Hornvieh- und Rossmarkt nicht nur um die besten Tierpreise, sondern redeten auch über Gott und die Welt. Seit dem 19. Jahrhundert nahmen sie auch die königlich-bayerische Politik aufs Korn. 1919 rief der Bauernbund aus diesem Anlass erstmals zu einer Kundgebung auf - der politische Aschermittwoch war geboren.

Quelle: ntv.de

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