Plenum nimmt Konsens "zur Kenntnis" Kopenhagen ist gescheitert
19.12.2009, 14:00 Uhr
Völlige Erschöpfung nach tagelangen Verhandlungen. Das Ergebnis des Treffens beibt weit hinter den Erwartungen zurück.
(Foto: REUTERS)
Die Weltklimakonferenz ist mit einem Minimalkonsens zu Ende gegangen. Die "Kopenhagen-Vereinbarung" bleibt nicht nur weit unter den ursprünglichen Zielen, die vor zwei Jahren bei der Klimakonferenz auf Bali beschlossen worden waren, sondern noch unter den bereits reduzierten Erwartungen, mit denen etwa die EU-Vertreter in die dänische Hauptstadt gereist waren.
Nach einer letzten chaotischen Marathon-Debatte nahm der Gipfel das Verhandlungsergebnis lediglich "zur Kenntnis". Jedes Land kann nun einzeln überlegen, ob es den Text annimmt oder nicht. Damit hat der ohnehin weiche Beschluss von Kopenhagen nicht einmal den Status einer offiziellen Grundlage für die weiteren Verhandlungen. In der Vereinbarung fehlt zudem das Ziel, im kommenden Jahr ein rechtlich verbindliches Klima-Abkommen zu erreichen. Ursprünglich hatte der Gipfel von Kopenhagen ein solches Abkommen beschließen sollen.
Der frühere Chef des UN-Umweltprogramms, Klaus Töpfer, setzte den Minimalkompromiss einem Scheitern gleich. Es müsse nun "klar sein, dass wir nicht dann erst anfangen, die Klimagase zu reduzieren, wenn wir alle gemeinsam einen Vertrag gemacht haben", sagte er dem RBB-Inforadio.
Ähnlich forderte Germanwatch "ergänzende Strategien zu den globalen Verhandlungen". Als Beispiel nannte der politische Geschäftsführer der Organisation, Christoph Bals, im Interview mit n-tv.de "das Projekt, bis zur Mitte des Jahrhunderts, vielleicht zusammen mit Nachbarregionen, zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umzusteigen".
Der frühere Bundesumweltminister und heutige SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, es sei "eine Schande, wie die Staats- und Regierungschefs die Zukunft ihrer eigenen Kinder und Enkelkinder aufs Spiel setzen". Gabriel betonte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe sich sehr eingesetzt. "Man kann ihr nicht den Vorwurf machen, dass das an ihr gescheitert sei. Dafür gebührt ihr Respekt, auch der Opposition."
Merkel nicht euphorisch
Die Kanzlerin selbst war alles andere als euphorisch. Sie räumte vor ihrem Abflug am frühen Samstagmorgen ein, sie hätte sich weitergehende Schritte gewünscht, aber mit der Vereinbarung ein Scheitern abwenden wollen. "Wir haben zu entscheiden gehabt, ob wir den ganzen Prozess abbrechen oder aber ob wir das, was möglich war, nehmen und in diesem Prozess weiterarbeiten können. Diese Entscheidung ist mir sehr schwer gefallen."
Dagegen nannte US-Präsident Barack Obama die Übereinkunft "bedeutend und beispiellos". Er räumte allerdings auch ein, dass es bei weitem nicht ausreichend sei. "Wir sind ein Stück vorangekommen, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns."
"Staatsstreich gegen die UN"
Die Vereinbarung war im Wesentlichen von Obama mit dem chinesischen Premierminister Wen Jiabao, dem indischen Premierminister Manmohan Singh, dem südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma, dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und Vertretern der EU ausgehandelt worden. Insgesamt waren an dem Kompromiss lediglich 25 Vertreter aus Industriestaaten, Schwellen- und Entwicklungsländern beteiligt.

Vor allem die Schwellen- und Entwicklungsländer sehen sich von der "politischen Erklärung" der Industrieländer betrogen.
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Später wurden der Entwurf und der Mini-Gipfel im großen Plenum von einer Gruppe besonders armer Länder heftig kritisiert. Der vom Untergang bedrohte Inselstaat Tuvalu verweigerte seine Zustimmung. Die Vertreter Venezuelas, Boliviens, Kubas und des Sudan kritisierten das Zustandekommen der Erklärung im kleinen Kreis. Die venezolanische Vertreterin Claudia Salerno Caldera sprach von einem "Staatsstreich" gegen die Vereinten Nationen. Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen gab daraufhin am Samstagvormittag die Konferenzleitung ab.
Von Kopenhagen über Bonn nach Mexiko
Schließlich nahm das Plenum der 192 UN-Mitgliedstaaten die dreiseitige Erklärung lediglich zur Kenntnis. Der Inhalt der Übereinkunft soll in den nächsten Monaten in die bestehenden UN-Texte zur Klimarahmenkonvention und zur Weiterentwicklung des Kyoto-Protokolls eingearbeitet werden. Die nächste UN-Klimakonferenz soll im Dezember kommenden Jahres in Mexiko stattfinden. Dazu gibt es im Juni eine Vorbereitungskonferenz der Umweltminister am Sitz des UN-Klimasekretariats in Bonn.
Die Kopenhagen-Vereinbarung enthält nur sehr vage Klimaschutzziele. Die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad, die Wissenschaftler für dringend notwendig halten, soll lediglich "berücksichtigt" werden. Im Januar sollen die Industrie- und Schwellenländer ihre nationalen Klimaschutzziele vorlegen. Kurz- und langfristige Finanzhilfen der reicheren Staaten für die Entwicklungsländer sind vorgesehen, bindende Verpflichtungen für aufstrebende Staaten wie China oder Indien aber nicht. Weitere Details sollen im kommenden Jahr in Bonn und Mexiko geklärt werden.
Wer ist schuld?
Christoph Bals sieht die Verantwortung für das Scheitern der Konferenz bei den USA, China und der EU: "Die beiden großen Emissionsmächte, die USA und China, haben ganz klar keine Führung übernommen, sondern sehr passive, sehr defensive Rollen gespielt", sagte Bals gegenüber n-tv.de. "Und die EU, der damit das Feld eigentlich bereitet war, ist nicht beherzt eingesprungen."

Der Däne Rasmussen warf das Handtuch.
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Bals kritisierte zudem den dänischen Regierungschef Lars Løkke Rasmussen sowie einige Entwicklungsländer: "Sobald der dänische Premierminister die Verhandlungen geleitet hat, gab es zahlreiche Fehler, die den Prozess wahnsinnig behindert haben. Auf der anderen Seite gab es eine starke Gruppe von Entwicklungsländern, die von Sudan, teilweise auch Algerien geführt wurde, die diese Fehler sehr stark ausgenutzt hat, um dann aus prozessualen Gründen die Verhandlungen zu blockieren."
Quelle: ntv.de, ppo/hvo/dpa/AFP/rts