Entsetzen nach Blutbad in Kairo Kopten weisen Schuld von sich
11.10.2011, 12:20 Uhr
Um den Ort der Auseinandersetzung erhöht die Armee die Sicherheitsstufe.
(Foto: REUTERS)
In Ägypten wächst nach den blutigen Zusammenstößen zwischen Christen und der Armee mit mindestens 25 Toten die Sorge um den Fortgang der Revolution. Die Kopten lehnen jede Verantwortung für die Gewalt ab. Sie beschuldigen den Militärrat, der sich zum Feindbild der Oppositionsparteien entwickelt.
Nach den zwischen Christen, Muslimen und dem Militär wird in Ägypten nach den Schuldigen gesucht. Die Vereinigungen der koptischen Christen machten in einer Erklärung, die von der christlichen Zeitung "Watani" veröffentlicht wurde, die Armeeführung für das Blutbad verantwortlich. Dabei waren nach inoffiziellen Angaben 22 Zivilisten und 4 Soldaten gestorben. Offiziell ist von 25 Toten und 329 Verletzten die Rede.
"Das gewalttätige Vorgehen (der Soldaten) war schlimmer als das, was die israelische Armee mit den Palästinensern macht, die Kassam-Raketen abfeuern", heißt es in der Erklärung der koptischen Vereinigungen. Die Armee hatte in einer Stellungnahme erklärt, sie sei aus der Demonstration heraus angegriffen worden.
Die Staatsanwaltschaft der Militärjustiz hatte 19 Christen und zwei Muslime in Untersuchungshaft genommen. Ihnen werden die Zerstörung öffentlichen Eigentums und Angriffe auf die Armee vorgeworfen.
Sorge im In- und Ausland
Der Gewaltausbruch hatte in Ägypten und im Ausland Besorgnis hervorgerufen. Der ägyptische Regierungschef Essam Scharaf berief eine Sondersitzung seines Kabinetts ein. Scharaf zufolge handelte es sich nicht um religiöse Auseinandersetzungen, sondern um ein "Komplott" mit dem Ziel, die für Ende November geplanten Parlamentswahlen zu behindern.
Führende Organisatoren der Proteste gegen den ehemaligen Präsidenten Hosni Mubarak bewerten die Ausschreitungen als Beleg für das Stocken der ägyptischen Revolution. Walied Rasched, Mitbegründer der "Jugendbewegung des 6. April", sagte in der "Berliner Zeitung", es gebe keinen Unterschied zwischen der Regierung Mubarak und dem derzeit herrschenden Militärrat unter General Tantawi. Er appellierte an alle Oppositionsparteien, gemeinsam den Militärrat unter Druck zu setzen.
US-Präsident Barack Obama rief alle Seiten zur "Zurückhaltung" auf. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle sagte in Luxemburg, es sei Aufgabe der militärischen und zivilen Führung Ägyptens, "sicherzustellen, dass Menschen ihre Religion, auch die christliche Religion, frei ausüben können". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Ägypter zur "Einheit" auf.
Trauergottesdienst für 17 Opfer
Tausende Menschen nahmen in der koptischen Kathedrale von Kairo an der Trauerfeier für die getöteten koptischen Christen teil. Fernsehbilder zeigten, wie die blumengeschmückten Särge mit den Namen von 17 Opfern aufgebahrt wurden und viele der Trauernden in Tränen ausbrachen.
Nach Angaben des Gerichtsmediziners Maged Luis el Nimr, der die 17 Leichen im koptischen Krankenhaus untersuchte, wurden zehn der 17 Opfer von Fahrzeugen überfahren. Dies deckt sich mit Fernsehbildern, auf denen Armeefahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit in die Menschenmenge fahren.
Übergangsregierung will handeln
Die Demonstration der koptischen Christen, bei der es zu den gewalttätigen Zusammenstößen gekommen war, hatte als friedliche Protestaktion gegen den Gouverneur der Provinz Assuan begonnen. Die Christen werfen ihm vor, er habe in einem Streit um den Umbau eines Hauses in eine koptische Kirche in einem Dorf die Partei der muslimischen Dorfbewohner ergriffen. Danach war es zu Attacken von Islamisten auf die Kirche gekommen.
Die staatlichen Medien meldeten, die Übergangsregierung wolle binnen zwei Wochen eine revidierte Version des Gesetzes vorlegen, das den Bau von Gotteshäusern vorsieht. Traditionell werden Baugenehmigungen für Moscheen ohne Probleme erteilt. Die Angehörigen der christlichen Minderheit warten aber oft jahrelang vergeblich auf eine Erlaubnis für den Bau einer Kirche, weil ihnen ein kompliziertes Genehmigungsverfahren auferlegt wird. Sie fordern die Gleichstellung der beiden Religionsgruppen.
Quelle: ntv.de, cba/dpa/AFP