Kraft, Dobrindt und die "Balkonszene" Hinter dem Fenster tagten die Bosse
17.10.2013, 20:28 UhrDie Bilder begleiten die Nachricht vom Durchbruch bei den Sondierungen: SPD-Ministerpräsidentin Kraft und CSU-Generalsekretär Dobrindt reichen sich nach ihrem Streit die Hand. Doch was geschieht währenddessen hinter ihnen?
Gut möglich, dass dies einmal als die "Balkonszene" in die Geschichtsbücher eingehen wird: Da steht Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen und in der SPD als größte Gegnerin der Großen Koalition verschrien, gleich mit vier Union-Politikern und plaudert und scherzt mit ihnen.
Noch vor drei Tagen sollen sich Kraft und CSU -Generalsekretär Alexander Dobrindt im zweiten Sondierungsgespräch angeschrien haben. Jetzt reichen sie sich die Hände. CSU-Verkehrsminister Peter Ramsauer hält das Ganze mit seinem Handy fest. Und die CDU-Kollegen, Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und Generalsekretär Hermann Gröhe, stehen gutgelaunt daneben.
Und dann steht die Runde mit verschränkten Armen da und blickt in Richtung der großen Kameralinsen. Ihr Gesichtsausdruck: Na, alles im Kasten? Die vermeintlichen Schnappschüsse der schwarz-roten Freiluftannäherung illustrieren wenig später die Nachricht, dass sich Union und SPD zu Koalitionsverhandlungen zusammensetzen wollen.
Dreiertreffen im Hintergrund
Brachte nun diese Balkonszene die entscheidende Wende im schwarz-roten Sondierungspoker? Dobrindt bestätigt später die Aussöhnung und fügt hinzu, dass Unionsfraktionschef Volker Kauder ihn und Kraft aufgefordert habe. "Ihr könntet Euch doch jetzt mal aussöhnen." Darauf habe Kraft geantwortet: "Wir haben's doch längst gemacht, auf dem Balkon", erzählt Dobrindt. "Ich habe dazu geschwiegen, aber es stimmt."
Was nicht erzählt wird: Während die Fünfergruppe teils rauchend auf dem Balkon herumsteht, wird vermutlich drinnen die Große Koalition klargemacht. Versöhnungsgesten wie die draußen sind Beiwerk, drinnen geht es zwischen den drei Parteichefs Merkel, Seehofer und Gabriel um die ganz harten Streitpunkte, deren Lösung essentiell ist für den Erfolg der Koalitionsverhandlungen. Um in Ruhe reden zu können, hat man das Grüppchen hinauskomplimentiert, das auch noch für ein paar Minuten die Journalisten draußen unterhält und beschäftigt.
Der wichtigste Punkt, der geklärt werden muss, ist der des Mindestlohns. Die SPD will einen flächendeckenden und gesetzlich festgelegten Mindestlohn von 8,50 Euro. Die Union hat sich lange gewunden, bis Seehofer in einem seiner berüchtigten Alleingänge am Vortag andeutete, er könne sich vorstellen, den Betrag von 8,50 Euro zu akzeptieren.
Mindestlohn gegen Steuern
Über die genauen Absprachen dringt jedoch später nichts an die Öffentlichkeit. Es wird vielmehr behauptet, es gebe gar keine. SPD-Chef Gabriel, der eine skeptische Parteibasis für die Große Koalition ins Boot holen muss, formuliert später nur vielsagend: "Die Union weiß, dass ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro eine zentrale Aufgabe ist, ohne die am Ende eine Koalition für die SPD keinen Sinn machen würde."
Schon wenige Stunden später tut die SPD bereits so, als gäbe es zum Mindestlohn nichts mehr zu sagen. Hannelore Kraft variiert am Abend im ZDF die Aussage ihres Parteichefs, die man bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen wohl noch oft von SPD-Mitgliedern hören wird: "Flächendeckend, 8,50 Euro, gesetzlich - das wissen CDU/CSU, dass es sonst mit uns keine Koalitionsvereinbarung geben wird." Punkt. Schwer vorzustellen, dass die SPD sich von dieser Idee noch abbringen lassen wird.
Als Gegenleistung für den Mindestlohn, in welcher Form auch immer er kommen wird, hat die Union vermutlich durchgesetzt, dass die Steuern nicht erhöht werden. Oder, wie es Gröhe ausdrückt: "Am Ende fügt sich alles zu einem Gesamtpaket, mit dem alle leben können."
Quelle: ntv.de