Politik

Vier Tage danach Kreml lüftet Gas-Geheimnis

Vier Tage nach der gewaltsamen Beendigung der Geiselnahme in Moskau hat die russische Führung erstmals Details über das dabei eingesetzte Gas veröffentlicht. Zur "Ausschaltung der Terroristen" sei "ein Gemisch aus Fentanyl-Derivaten " eingesetzt worden, sagte Gesundheitsminister Juri Schewtschenko.

Es sei kein verbotener Kampfstoff benutzt worden, betonte Schewtschenko. Fentanyl wird in Deutschland als Narkosemittel und gegen Schmerzen eingesetzt.

"Allein können diese Mittel keinen tödlichen Ausgang hervorrufen", sagte der russische Gesundheitsminister weiter. Vielmehr hätten viele Geiseln bereits an Sauerstoff- und Flüssigkeitsmangel sowie an Hunger gelitten, als die Erstürmung des Gebäudes und der Gaseinsatz begannen. "Und gerade diese Faktoren haben zum Tod bei einem Teil der Geiseln geführt", meinte Schewtschenko. Bislang starben 119 Geiseln an den Folgen des Einsatzes.

Der US-Botschafter in Moskau, Alexander Vershbow, hatte nicht ausgeschlossen, dass ein Teil der getöteten Geiseln noch leben könnte, wenn Russland kein Geheimnis um das bei der Befreiungsaktion eingesetzte Gas gemacht hätte. "Es ist klar, dass mit vielleicht ein bisschen mehr Informationen zumindest einige Geiseln mehr hätten überleben können", sagte Vershbow.

Streit unter deutschen Experten

Wenige Stunden vor der Bekanntgabe des russischen Gesundheitsministers hatten die Münchner Toxikologen Thomas Zilker und Eberhard Kochs erklärt, sie hätten Spuren des Narkosemittels Halothan in Blut, Urin und Plasma der deutschen Opfer nachweisen können. Die Forscher gehen davon aus, dass zudem noch weitere Mittel eingesetzt wurden.

Der Münsteraner Toxikologe Hugo van Aken widersprach seinen Kollegen aus München. Halothan sei in russischen Krankenhäusern weit verbreitet, sagte van Aken im Interview mit n-tv.de "Es ist also durchaus möglich, dass Rückstände des Narkosemittels in den eingesetzten Atemgeräten vorhanden waren und so in die Blutbahn der Patienten gelangt sind."

Van Aken vermutet, dass ein Opioid eingesetzt wurde, etwa das Fentanyl-Derivat Carfentanyl. "Zwei Gläser dieser Substanz würden ausreichen, um ein Gebäude wie das Moskauer Theater zu vernebeln und gleichzeitig alle Personen zu betäuben." Die Todesfälle sind seiner Ansicht nach damit zu erklären, dass einige Geiseln sich in unmittelbarer Nähe der Klimaanlage befanden. Diese Menschen hätten toxische Konzentrationen abbekommen.

Die Moskauer Behörden hatten am Montag Versäumnisse bei der Rettung der Geiseln eingeräumt. Alle 763 Geiseln hätten noch gelebt, als sie aus dem Theater geschleppt wurden, sagte der oberste Amtsarzt von Moskau, Andrej Selzowski, nach Angaben der "Moscow Times". Viele bewusstlose Geiseln wurden ohne Versorgung in Nahverkehrsbusse gesetzt, warteten dort auf die Abfahrt. Sie hätten aber dringend künstlich beatmet und mit einem Gegenmittel versorgt werden müssen.

Am Mittwoch wurden die beiden jüngsten Opfer des Geiseldramas beerdigt. Die 14-jährige Kristina Kurbatova und der 13-jährige Arseny Kurilenko gehörten zu den Schauspielern des Musical-Theaters. Über 500 Trauergäste kamen zu der Beerdigung, darunter Überlebende des Musical-Theaters, die Angehörigen und Klassenkameraden. Bei dem Geiseldrama starben insgesamt 17 Mitglieder des Theaters.

Quelle: ntv.de

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