Politik

Tod eines Adoptivkinds Kreml schürt Antiamerikanismus

Tausende Demonstranten unterstützten das Adoptionsverbot, das in Russland eine heftige Kontroverse ausgelöst hat.

Tausende Demonstranten unterstützten das Adoptionsverbot, das in Russland eine heftige Kontroverse ausgelöst hat.

(Foto: REUTERS)

Der Tod eines Adoptivkinds in den USA bietet der russischen Führung eine willkommene Gelegenheit, das jüngst erteilte Adoptionsverbot zu rechtfertigen. In Moskau demonstrieren Tausende für das Gesetz. Unterdessen entlastet der Autopsiebericht die amerikanischen Adoptiveltern.

Tausende Russen sind in Moskau auf die Straße gegangen, um für das Verbot der Adoption russischer Kinder durch US-Amerikaner zu unterstützen. Laut Polizei waren 12.000 Demonstranten unterwegs. Beobachter sprachen von einer "antiamerikanischen Protestkundgebung fast wie zu Sowjetzeiten". Vertreter kremlnaher Verbände appellierten an Präsident Wladimir Putin, für Kinder "noch mehr zu tun". Zwischen den Reden wurden patriotische Lieder eingespielt. Kinderschutz müsse zur neuen nationalen Aufgabe erhoben werden, forderten Redner auf einer Bühne.

Wie bei staatstreuen Protesten in Russland üblich, erhielten zahlreiche Demonstranten eine Teilnahmeprämie. Der Moskau-Korrespondent des US-Magazins "Time", Simon Shuster, twitterte, dass ihnen vor den Protesten zwischen 400 und 600 Rubel (knapp 10 bis 15 Euro) angeboten worden seien. Die meisten seien allerdings ohne Bezahlung "zusammengetrieben" worden – beispielsweise Studenten und Fabrikarbeiter. Shuster zufolge nahmen viele Schulklassen an der Veranstaltung teil - unter dem offiziellen Slogan, "russische Kinder vor amerikanischer Gesetzlosigkeit zu schützen."

Anlass für die Demonstration war der Tod eines russischen Adoptivkinds in den USA. Der Dreijährige war unter noch ungeklärten Umständen gestorben. Die Demonstranten forderten, dass der Bruder des verstorbenen Kindes, der bei den selben Adoptiveltern in den USA lebt, nach Russland zurückgebracht wird. Ein Sprecher von Präsident Putin sagte im TV-Sender Doschd, es würden Schritte unternommen, um den zweijährigen Kirill zurückzuholen.

Retourkutsche des Kreml

Im Januar war in Russland ein Gesetz in Kraft getreten, das US-Familien die Adoption russischer Kinder verbietet. Damit reagierte der Kreml auf das kurz zuvor von US-Präsident Barack Obama unterzeichnete so genannte Magnitski-Gesetz. Dieses erlaubt generell Sanktionen gegen Russen bei Menschenrechtsverstößen – beispielsweise Einreiseverbote und Kontosperren.

Anlass war der Tod des Anwalts Sergej Magnitski, der nach dem Aufdecken eines Korruptionsfalls 2009 in einem Moskauer Gefängnis nach Misshandlungen und an den Folgen unterlassener Hilfeleistung starb. Die so genannte Magnitski-Liste enthält die Namen russischer Beamter und Politiker, die aus US-Sicht verantwortlich für den Tod sind und deshalb mit Sanktionen belegt werden können.

Der Fall Magnitski liegt bis heute im Dunkeln. Magnitski, der für das Investmentunternehmen Hermitage Capital arbeitete, sah die Moskauer Führung in eine beispiellose "Verschwörung" verstrickt. Der Wirtschaftsprüfer warf Funktionären des Innenministeriums vor, dem russischen Staat 230 Millionen US-Dollar gestohlen zu haben. Danach wurde Magnitski festgenommen. Er starb 2009 in Untersuchungshaft. Sein Tod ist nicht nur bis heute ungesühnt, posthum wurde sogar ein Verfahren wegen Betrugs eingeleitet.

Die direkte Antwort auf das "Magnitski"-Gesetz ist das in Russland höchst umstrittene Adoptionsverbot für US-Familien. Das russische Gesetz ist nach Dima Jakowlew benannt - einem Kleinkind, das von seinem amerikanischen Adoptivvater im Auto vergessen wurde und an den Folgen eines Hitzschlags gestorben war.

In den vergangenen 20 Jahren haben US-Familien Schätzungen zufolge rund 60.000 russische Kinder aufgenommen. In einer Retourkutsche auf die Kritik an den Todesumständen Magnitskis ließ der Kreml verlauten, seit 1991 seien 20 russische Kinder in den USA ums Leben gekommen, weil ihre Adoptiveltern sie möglicherweise misshandelt hätten. Die Todesumstände seien nur unzureichend untersucht worden.

Russischer Kritiker des Adoptionsverbotes betonen, dass viele Kinder in russischen Heimen kaum Aussichten auf eine glückliche Zukunft haben. Die Zustände vieler Heime seien besorgniserregend, Pflege und Ausbildung seien mangelhaft. Experten weisen auch darauf hin, dass US-Familien überdurchschnittlich häufig behinderte Kinder aufgenommen haben.

Autopsie entlastet Adoptiveltern

Unterdessen entlasten Gerichtsmediziner die Adoptiveltern des dreijährigen Maxim. Der Tod sei ein "Unfall" gewesen, hieß es in dem Autopsiebericht, den vier Ärzte angefertigt haben. Die Blutergüsse am Körper des Jungen habe dieser sich selbst zugefügt. Das Kind sei an einer gerissenen Arterie im Darm als Folge einer Aufprallverletzung im Magen gestorben. In seinem Körper seien keine Spuren von Medikamenten gefunden worden. Allerdings habe das Kind psychische Probleme gehabt, weshalb es sich selbst verletzt habe. Der Sheriff des Bezirks Ector im US-Bundesstaat Texas betonte, die Ermittlungen zu Maxims Tod würden fortgeführt.

Das Kind war im Januar bewusstlos im Garten der Adoptiveltern gefunden worden und später im Krankenhaus gestorben. Den Adoptiveltern droht trotz der Entlastung durch den Autopsiebericht ein juristisches Nachspiel: Da sie das Kind alleine im Garten ließen, könnte ihnen Vernachlässigung vorgeworfen werden.

Quelle: ntv.de, jga/dpa/AFP

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