Politik

Meine Kinder, deine Kinder Krippen-Streit in Koalition

Die Finanzierung zusätzlicher Krippenplätze wird mehr und mehr zum Zankapfel zwischen Union und SPD. Unmittelbar vor der Koalitionsrunde am Montag forderte die SPD-Spitze die Union auf, rasch ein Finanzierungskonzept vorzulegen. CSU-Chef Edmund Stoiber schlug vor, für neue Plätze Geld aus der Mehrwertsteuer einzusetzen. "Ich könnte mir vorstellen, dass der Bund zeitlich befristet bis zum Jahr 2010 einen halben Mehrwertsteuerpunkt zweckgebunden für diese gesellschaftliche Aufgabe zur Verfügung stellt. Das sind dann gut drei Milliarden Euro", sagte Stoiber der "Bild am Sonntag". Damit "und mit verstärkten Anstrengungen der Länder" sei bis 2010 der Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen zu decken.

Praktisch zeitgleich griffen SPD-Chef Kurt Beck und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) CDU und CSU scharf an. Müntefering sagte dem "Spiegel", schon bei der Gesundheitsreform habe die Union mehr Geld für die Krankenkassen verlangt, ohne zu sagen, woher. Im ZDF-"Heute Journal" am Samstag forderte er, die Union solle im Koalitionsausschuss Farbe bekennen. "Da ist Montag der Tag, an dem sie was auf den Tisch legen sollte, oder wo wir miteinander den Zeitplan vereinbaren." Beck warf der Union in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" eine Hinhaltetaktik vor: "Die Union, die gern von Haushaltsdisziplin redet, ist bisher jede Auskunft schuldig geblieben, wie die Vorschläge ihrer Familienministerin bezahlt werden können."

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wies dies zurück und bescheinigte den Sozialdemokraten, sie seien eine "Umverteilungs- und Steuererhöhungspartei". Nach seinen Worten kann es am Montag nur um "die Vereinbarung eines Verfahrens" gehen. "Zunächst sind Gespräche mit den Ländern und Kommunen notwendig", sagte Pofalla am Sonntag. "Erst dann kann ein seriöser Finanzierungsvorschlag unterbreitet werden."

Der Koalitionsausschuss befasst sich mit dem Vorschlag von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), bis 2013 die Anzahl der Krippenplätze auf 750.000 zu verdreifachen. Dies soll drei Milliarden Euro kosten. Die SPD-Spitze will dafür beim Ehegattensplitting kürzen und die nächste Kindergelderhöhung aussetzen. Stoiber sagte zu den SPD-Vorschlägen: "Das ist mit der Familienpartei CSU und nach allem, was ich aus der CDU-Spitze gehört habe, auch mit der Union insgesamt nicht zu machen." In einer "Focus"-Umfrage befürworteten 64 Prozent Überlegungen in der CDU, das Ehegatten- zu einem Familiensplitting zu erweitern, das allen Paaren mit Kindern zu Gute kommen würde.

"Bild am Sonntag" zufolge hat Stoiber mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das weitere Vorgehen besprochen. Von der Leyen werde sich mit ihren Länder-Kollegen zusammensetzen, um den Bedarf an Krippenplätzen zu berechnen. "Dann könnte der Ausbau der Kinderbetreuung in einem Familiengipfel unter Leitung der Bundeskanzlerin auf den Weg gebracht werden", sagte Stoiber. SPD-Chef Beck schlug vor, bei einem Spitzentreffen sollten die Parteivorsitzenden der Koalition, die Ministerpräsidenten und Vertreter der Kommunen mit der Bundesregierung die Finanzierungsfragen klären. Pofalla lehnte in der "Passauer Neuen Presse" einen "Familiengipfel" aber strikt ab.

Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Johannes Singhammer (CSU), warnte vor übereilten Finanzierungsentscheidungen. "Zunächst sollten die Länder nach ihrem tatsächlichen Bedarf gefragt werden", sagte Singhammer. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) plädierte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" dafür, den "nervtötenden und unnötigen Streit" über die Finanzierung zu beenden. Bund, Länder und Kommunen sollten sich die erforderliche Summe teilen.

Nach Berechnungen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes kosten die Kinderkrippen-Pläne sogar 9,5 Milliarden Euro. Der Bund stehe in der Zahlungspflicht, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Leipziger Volkszeitung". Er bekräftigte das Nein seines Verbandes zur SPD-Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Sonst würden mindestens 40 Prozent einen Platz beanspruchen. "Also bräuchten wir in etwa 897.000 Krippenplätze." Ministerin von der Leyen geht von 500.000 zusätzlichen Plätzen aus.

EU-Industriekommissar Günter Verheugen mahnte Deutschland, die Kinderbetreuung auszubauen. Ohne höhere Erwerbsquote seien die Sozialsysteme nicht mehr finanzierbar, sagte er "Bild am Sonntag". Bei der Ganztagsbetreuung habe Deutschland "enormen Nachholbedarf".

Quelle: ntv.de

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