Sprachliches Labyrinth Kritik an Afrikahilfe
08.06.2007, 06:59 UhrDie führenden Industriestaaten und Russland (G8) nehmen im Kampf gegen Armut, Seuchen und Klimawandel die Entwicklungsländer und wirtschaftlich aufschließende Nationen mehr in die Pflicht. Zum Abschluss ihres Gipfels im Ostseebad Heiligendamm kamen die G8-Staats-und Regierungschefs mit ihren Kollegen aus China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika sowie vier weiteren Staaten Afrikas zusammen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel zog eine positive Bilanz: "Ich sage, es war ein erfolgreicher Gipfel, weil weit reichende Beschlüsse gefasst worden sind." Zur G8 gehören USA, Großbritannien, Deutschland, Italien, Japan, Frankreich, Kanada und Russland.
Um die Folgen von Aids, Malaria und Tuberkulose zu lindern, geben die G8-Staaten 60 Milliarden Dollar (knapp 45 Milliarden Euro). Bei der klassischen Entwicklungshilfe standen die G8 auf der Bremse und gingen keine neuen milliardenschweren Verpflichtungen ein. Aufstrebende Nationen in Asien und Südamerika, die weltweit zu den schlimmsten Luftverschmutzern gehören, sperrten sich gegen verbindliche Pläne einiger G8-Staaten, den Ausstoß von Treibhausgasen in den kommenden Jahrzehnten drastisch zu verringern.
G8-Gipfel war eine Farce
Die Afrika-Aktivisten Bob Geldof und Bono haben den G8-Gipfel in Heiligendamm als reine Farce bezeichnet. Kanzlerin Angela Merkel habe sich zwar bei einem Treffen ihre Vorschläge für eine größere Afrikahilfe angehört, aber leider alle zurückgewiesen, sagte Geldof nach Abschluss des Gipfels. Das Abschlussdokument zu Afrika ("Wachstum und Verantwortung in Afrika") sei ein zynischer Text, in dem lediglich alte Versprechungen wiederholt würden.
Bono nannte den Text ein sprachliches Labyrinth, dessen einziger Zweck es sei, dass sich alle darin verirrten und nicht wüssten, was es bedeute. "Doch wir gehen darin nicht verloren, sie sind verloren", sagte der Sänger der Rockband U2 in Anspielung auf die G8-Staats-und Regierungschefs.
Bob Geldof betonte, er bedauere für den scheidenden britischen Premierminister Tony Blair, dass dieser es nicht geschafft habe, die anderen G8-Führer zu mehr Hilfe zu überreden. Er wisse, dass Tony Blair "bis zur Erschöpfung" dafür gekämpft habe. Die Klimaeinigung nannte Geldof ebenfalls einen Witz.
Kritik der Hilfsorganisationen
Hilfsorganisationen und Umweltschützer warfen der G8 Versagen auf der ganzen Linie vor. Beim Klimaschutz und bei der Afrikahilfe hätten sie nichts zu Stande gebracht.
Die G8 hatten am Vortag vereinbart, erstmals gemeinsam eine globale Klimaschutzstrategie unter dem Dach der Vereinten Nationen zu entwickeln und ernsthaft Wege zu prüfen, wie bis 2050 der Ausstoß von Treibhausgasen halbiert werden kann.
Merkel hatte US-Präsident George W. Bush davon überzeugt, seinen hartnäckigen Widerstand dagegen aufzugeben. Die alarmierenden Berichte des UN-Klimarats sollen Basis für die Verhandlungen über ein neues Abkommen sein. Russlands Präsident Wladimir Putin lobte das Verhandlungsgeschick der Kanzlerin. Sie habe hervorragend die schwierige Aufgabe gemeistert, als einzige Frau ein Männerkollektiv zu leiten, sagte er.
Chinas Staatschef Hu Jintao sieht beim Klimaschutz zuerst die reichen Länder in der Verantwortung. Sie hätten von der Industrialisierung am meisten profititiert. "Kein Land sollte sich von der historischen Verantwortung abwenden." Jintaos Position fand bei den "Chefs" anderer Schwellenländer Zustimmung.
Sarkozy ist hochzufrieden
Merkel sagte: "Die Meinungen gehen schon noch ein Stück auseinander." Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sagte nach seinem ersten G8-Gipfel, beim Klimaschutz sei er mit den Fortschritten hochzufrieden. Die Folgen der Erderwärmung werden auch beim G8-Gipfel im Juli 2008 auf der Insel Hokkaido in Japan oben auf der Agenda stehen.
Das beispiellose finanzielle Programm gegen Aids, Malaria und Tuberkulose in Afrika hatte US-Präsident George W. Bush vorgeschlagen. Er nahm wegen einer Magenverstimmung nicht an einem Treffen mit afrikanischen Führern aus Nigeria, Ghana, Senegal und Algerien teil. Am Nachmittag flog Bush nach Polen weiter.
Deutschland stockt seine Mittel für die Seuchenbekämpfung deutlich auf: Bis 2015 sollen insgesamt vier Milliarden Euro fließen. In der Gipfelerklärung verpflichten sich die G8, den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria wieder aufzufüllen. Bis 2010 sind bis zu acht Milliarden Dollar nötig. Weltweit sterben jährlich mehr als sechs Millionen Menschen an diesen drei Krankheiten. Etwa 67 Prozent aller HIV-Infizierten leben in Afrika.
Merkel: Afrika ist in der Pflicht
Die G8 erwarten für die weitere Unterstützung Afrikas, dass Staaten dort ihre Gesellschaften modernisieren. Nach einem Treffen mit afrikanischen Führern sagte Merkel, auch der Kontinent sei in der Pflicht. Sie forderte einen konsequenten Kampf gegen Korruption sowie wirtschaftliche und politische Reformen für mehr Demokratie.
"Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und werden unsere Verpflichtungen erfüllen", sagte sie. Für die Afrikanische Union erklärte deren Vorsitzender, der ghanaische Präsident John A. Kufour, der Kontinent werde auch seinen Beitrag leisten. "Afrika erwartet, dass die G8 ihre Versprechen einhalten."
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verteidigte bei n-tv die Afrika-Beschlüsse gegen Kritik: "Die Kritiker sagen, es fließt kein Geld ab. Die Tatsache ist eine andere." Es sei eine "eindrucksvolle Größenordnung", die jetzt in Aussicht gestellt worden sei. "Ich denke, das wird eine Größenordnung sein, die auch tatsächlich Verbesserung verspricht." Auch in der Klimapolitik sei "weit mehr geschehen, als wir erwarten durften."
Quelle: ntv.de