Einsatz in Kundus "wirkungslos" Kritik an Bundeswehr
15.01.2010, 20:09 UhrDer Gouverneur von Kundus, Omar, ist nicht zufrieden. Der Grund: Die in seiner Provinz stationierten Bundeswehrsoldaten "retten uns nicht", um die Sicherheit in Kundus sollten sich künftig "effektivere Länder" kümmern. Immerhin findet er doch ein paar lobende Worte - für den Luftschlag auf zwei Tanklastzüge.
Der Gouverneur der nordafghanischen Unruheprovinz Kundus hat den dortigen Einsatz der Bundeswehr als "wirkungslos" kritisiert. Angesichts der schlechten Sicherheitslage in der Region forderte Gouverneur Mohammad Omar mehr amerikanisches Engagement. "Wir haben einen Feind und wissen, dass er uns töten will", sagte er mit Blick auf die Taliban. "Unsere (deutschen) Freunde beobachten das und retten uns nicht. Nun müssen wir unsere anderen (amerikanischen) Freunde bitten, uns zu retten."
Der Sprecher der Bundeswehr in Kundus, Jürgen Mertins, sagte dagegen: "In den vergangenen Monaten haben wir eine ganze Reihe von Operationen im Raum Kundus durchgeführt zusammen mit der afghanischen Seite. Wir meinen, dass sich die Sicherheitslage im Raum Kundus dadurch deutlich verbessert hat." Die Bundeswehr arbeite sehr gut mit den afghanischen Sicherheitskräften zusammen. "Es ist durchaus verständlich, dass der Gouverneur die angekündigte Truppenverstärkung vonseiten der USA in der ihm eigenen Art willkommen heißt."
3000 zusätzliche US-Soldaten nach Kundus
Omar sagte, er und der Provinzrat hätten vorgeschlagen, dass von den 30.000 zusätzlichen US-Soldaten in Afghanistan 3000 alleine in Kundus stationiert würden. "Wenn man den Terrorismus beseitigen will, sind ernsthafte Handlungen gefragt." Die deutschen Soldaten wollten möglicherweise gegen die Taliban vorgehen, der Bundestag lege ihnen aber Steine in den Weg. "Das Parlament will nicht, dass Soldaten dabei getötet werden, wenn sie Aufständische bekämpfen." Die Verbesserung der Sicherheitslage in der Provinz sei allein durch US-Sondereinheiten und afghanische Kräfte erzielt worden. Die Bundeswehr sei dagegen "wirkungslos" gewesen. Um die Sicherheit in Kundus sollten sich künftig daher "effektivere Länder" kümmern.
Von den angekündigten zusätzlichen 30.000 US-Soldaten soll die überwiegende Mehrheit in den unruhigen Süden und Osten, ein kleinerer Teil aber auch in den deutschen Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans geschickt werden. Eine genaue Zahl für den Norden steht noch nicht fest. Omar sagte, ihm fehlten in der Provinz Kundus 1500 afghanische Polizisten, was er den Deutschen bereits vor einem Jahr mitgeteilt habe, ohne dass sich die Lage geändert habe. Deswegen sei auch der umstrittene Einsatz von Stammesmilizen gegen die Taliban in der Region gerechtfertigt. "Wir haben keine andere Option."
Bundeswehrsoldaten verletzen Zivilisten
Deutsche Soldaten beschossen und verletzten am Freitag in Kundus einen afghanischen Zivilisten. Der Mann sei mit seinem Wagen auf die Soldaten zugefahren und habe trotz Warnsignalen nicht gebremst, sagte Mertins. Der Zivilist sei im Wiederaufbauteam in Kundus operiert worden. Zu dem Vorfall sei es im Distrikt Char Darah zehn Kilometer westlich des Bundeswehrlagers gekommen.
Zudem wurde am Bundeswehr-Außenposten im nordostafghanischen Taloqan ein deutscher Soldat verletzt. Mertins sagte, es habe sich weder um Feindbeschuss noch um einen Anschlag gehandelt. Es sei unklar, wie sich der Mann verletzt habe, der zur Behandlung ins deutsche Feldlager in Masar-i-Scharif geflogen worden sei. Er schwebe nicht in Lebensgefahr. In Char Darah und an anderen Orten im Großraum Kundus kam es am Freitag zu Feuergefechten zwischen afghanischen Sicherheitskräften und Aufständischen. Deutsche Soldaten waren nach Angaben der Bundeswehr nicht in die Kämpfe verwickelt.
In der südlichen Provinz Kandahar erschossen Soldaten der Internationalen Schutztruppe ISAF nach einem Bombenanschlag zwei Männer. Die Afghanen seien nach der Detonation auf Motorrädern in hoher Geschwindigkeit auf die Soldaten zugefahren, die daraufhin das Feuer eröffnet hätten, teilte die ISAF mit. Nach Angaben der Polizei handelte es sich bei den Toten um Zivilisten. Bei einem weiteren Anschlag in Kandahar wurden fünf Zivilisten getötet. Die Polizei machte die Taliban verantwortlich.
Guttenberg gegen festes Abzugsdatum
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sprach sich unterdessen gegen ein festes Datum für den Abzug der Bundeswehr aus. "Ich halte es für sehr verwegen und auch nicht Ausdruck größter Weisheit, von einem Enddatum zu sprechen, wo dann plötzlich alle Afghanistan verlassen und irgendeiner das Licht ausdreht", sagte Guttenberg im Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr in Letzlingen bei Magdeburg. Stattdessen müsse eine Perspektive für den Beginn des Truppenabzugs geschaffen werden, sagte der Minister mit Blick auf die Afghanistan-Konferenz am 28. Januar in London.
Angriff auf Taliban "richtig"
Omar sagte, aus seiner Sicht als Gouverneur sei der umstrittene und von der Bundeswehr angeordnete im vergangenen September "richtig" gewesen. Bei den von dem Bombardement getöteten Zivilisten habe es sich um Angehörige von Aufständischen gehandelt. Omar kritisierte zugleich mangelnden Wiederaufbau in Kundus. Die Deutschen sollten ihre Anstrengungen auf die von ihnen verantwortete Provinz konzentrieren, statt Hilfsgelder über die Zentralregierung in Kabul auf das ganze Land zu verteilen, forderte der Gouverneur.
Raketenangriff auf Botschaftsviertel
Das Regierungs- und Diplomaten-Viertel in Kabul ist nach Angaben der afghanischen Polizei am Feitag mit einer Rakete angegriffen worden. Bei der Explosion in der Nähe der deutschen Botschaft sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin keine deutschen Botschaftsmitarbeiter verletzt worden. Weder die deutsche Botschaft noch Botschaftsmitarbeiter seien zu Schaden gekommen, sagte eine AA-Sprecherin.
Das Geschoss sei in ein Gebäude der Regierung eingeschlagen, hieß es in Polizeikreisen. Ob Menschen getötet oder verletzt worden seien, war unklar.
Quelle: ntv.de, dpa