Jobben für "Hungerlohn" Kritik an Kasseler Urteil
17.12.2008, 08:30 UhrGewerkschaften und Sozialverbände lehnen das Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts zu Ein-Euro-Jobbern ab. Der Gerichtsentscheidung zufolge sind sogenannte Ein-Euro-Jobs Arbeitslosen auch dann zuzumuten, wenn sie dabei 30 Stunden in der Woche arbeiten. Im Falle einer Ablehnung riskieren sie die Kürzung ihres Arbeitslosengeld II.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte die Abschaffung der Ein-Euro-Jobs und kritisierte, dass deren "massenhafter Einsatz reguläre Beschäftigung verdrängt, für die Betroffenen kaum Perspektiven bringt und zur Ausweitung des Niedriglohnsektors führt". DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte der "Berliner Zeitung": "Dieses Urteil ist gesellschaftspolitisch bedenklich und eine bittere Schlappe für den Kläger, dessen Qualifikation als Ingenieur entwertet wird, je länger er Hilfstätigkeiten ausführen muss." Buntenbach forderte die Bundesregierung auf, endlich "das wenig hilfreiche und außerdem vergleichsweise teure Instrument Ein-Euro-Job auf den Prüfstand" zu stellen.
Der Sozialverband VdK zeigte sich empört über das Urteil. "Ich halte das für völlig unangemessen, für unzumutbar", sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher der Zeitung. "30 Stunden Arbeit pro Woche ist hart an der Vollbeschäftigung." Von einer Prüfung der Arbeitstauglichkeit des Mannes könne hier überhaupt keine Rede mehr sein. Mascher nannte die Aufwandsentschädigung einen "Hungerlohn", zumal Ein-Euro-Jobber damit auch ihre Fahrtkosten bezahlen müssten.
Eine bayerische Arbeitsagentur hatte einen arbeitslosen Ingenieur dazu angehalten, 30 Stunden in der Woche für jeweils 1,50 Euro Gärtnerarbeiten zu verrichten. Als der Arbeitslose sich weigerte, kürzte die Agentur das Arbeitslosengeld II um monatlich 103 Euro. In seiner Klage argumentierte der 58-Jährige, bei einer fast vollen Stelle werde reguläre Arbeit gesetzwidrig verdrängt. Zudem bleibe ihm kaum noch Zeit, sich auf eine richtige Stelle zu bewerben.
Beim Sozialgericht scheiterte der Ingenieur zwar, fand aber in der zweiten Instanz Unterstützung. Die Richter waren der Auffassung, dass ein Ein-Euro-Job, der zeitlich einer Vollbeschäftigung nahekomme, eine Konkurrenz zum regulären Arbeitsmarkt sei.
Dem folgten die Bundesrichter nicht und gaben der Arbeitsagentur Recht. Eine Konkurrenz könne sich nur aus der Art, nicht aus der Zeit einer Beschäftigung ergeben. Eine Formulierung, aus der eine Begrenzung der Arbeitszeit abgeleitet werden könne, finde sich nicht in den Gesetzen. Zudem sei bei den Ein-Euro-Jobs das Geld nicht wie bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eine tatsächliche Gegenleistung für die Arbeit, sondern nur ein Anreiz. Schließlich werde das Arbeitslosengeld II weitergezahlt (Az.: B 4 AS 60/07 R).
Quelle: ntv.de