Union und SPD attackieren sich Kritik an Merkels Regierungsstil
17.11.2007, 14:32 UhrDer scheidende Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) hat massive Kritik am Regierungsstil von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geübt. "Es ist einfach keine gute Form der Zusammenarbeit, wenn man sich im Kabinett gemeinsam zu Beschlüssen durchringt und sie anschließend sehenden Auges nach massivem Lobbyeinfluss torpediert", kritisierte Müntefering im "Spiegel". Hintergrund sind die erfolglosen Verhandlungen über den Postmindestlohn im Koalitionsausschuss Anfang der Woche. Mehrere führende Unionspolitiker forderten von der SPD ein Ende der Angriffe.
Merkel wisse, "dass das grenzwertig war, was da stattfand", sagte der Bundesarbeitsminister, der wegen der schweren Krankheit seiner Frau den Rücktritt einreichte. Der Union sei es darum gegangen, "die ganze Sache kaputtzuschießen", sagte Müntefering. "Die Kanzlerin hat das nicht aufgehalten, sondern mitgemacht. Das war ein Fehler." Das Vorgehen Merkels "widerspricht schon meinem Verständnis von gutem Regieren und guter Zusammenarbeit".
Insgesamt bleibe die Koalition "derzeit unter ihren Möglichkeiten", sagte Müntefering. Zugleich betonte er aber: "Mein Interesse ist, dass bei allen Differenzen diese Koalition weiterregiert und die Aufgaben erfüllt, die das Land uns stellt." Und: "Die Koalition hält bis 2009, das muss sie auch."
Union schimpft zurück
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte die SPD auf, ihre "Beschimpfungsorgien" gegen Merkel einzustellen. "Die Sozialdemokraten haben gerade Schwierigkeiten und benehmen sich so, als wären sie nicht in der großen Koalition", sagte er im saarländischen Homburg. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte der "Berliner Zeitung": "Der Tonfall der SPD muss sich ändern. So kann man in einer Koalition nicht miteinander reden." CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer warf der SPD auf dem kleinen CSU-Parteitag vor, den demokratischen Sozialismus aus der Mottenkiste zu ziehen. Die Linken in der SPD versuchten, die Macht zu übernehmen.
Zartes Pflänzlein Aufschwung
Merkel bekräftigte ihre Ablehnung gesetzlicher Mindestlöhne. Sie würden vor allem in den neuen Ländern Arbeitsplätze bedrohen, sagte sie beim Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommerns in Binz auf Rügen. Dort seien Jobs häufig deshalb entstanden, weil das Lohnniveau deutlich niedriger sei als im Westen. "Das zarte Pflänzlein des Aufschwungs darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden."
Die Kanzlerin machte deutlich, dass die CDU auf die Fortsetzung der Reformpolitik dringen werde. "Es ist das wichtigste, in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode nicht alles wieder rückgängig zu machen, was wir zu Beginn in Angriff genommen haben."
Bestand der Koalition
SPD-Fraktionschef Peter Struck wies im Magazin "Focus" Spekulationen über ein vorzeitiges Ende der großen Koalition zurück. "Beide Seiten wollen nicht raus. Es gibt keinen Grund dafür." Zudem gebe es keinen gangbaren Weg zu Neuwahlen. Juso-Chef Björn Böhning hält es dagegen für einen Fehler, dass die SPD an der großen Koalition festhält. "Die Union versucht uns zu demütigen - Tag um Tag. Das bricht der SPD auf Dauer das Rückgrat", sagte er dem "Focus". "Konsequenterweise hätte man die Koalition an der Mindestlohnfrage platzen lassen müssen."
Quelle: ntv.de