Politik

Streit um Sicherungsverwahrung Kritik an de Maizière

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger weist den Vorschlag zurück, eine neue Sicherheitsunterbringung an Stelle der Sicherungsverwahrung einzuführen. Dies würde die Probleme nicht lösen, sagt sie und fordert den Einsatz elektronischer Fußfesseln. Die Gewerkschaft der Polizei warnt, "das Problem auf dem Rücken der Polizei zu lösen".

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(Foto: dpa)

Im Streit um die Sicherungsverwahrung für besonders gefährliche Straftäter verhärten sich in der Koalition zunehmend die Fronten. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wandte sich in der "Bild"-Zeitung gegen die von der Union ins Gespräch gebrachte neue Form einer Sicherheitsunterbringung. "Dieser Vorschlag bringt uns keinen Schritt weiter, weil wir gerade die Fälle, die uns jetzt die Probleme bereiten, damit nicht erfassen können", sagte die FDP-Politikerin. Es habe keinen Sinn, jetzt eine Regelung zu beschließen, die dann von den Gerichten wieder einkassiert werde. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnt davor, bei der Überwachung gefährlicher Sexualstraftäter zu sehr auf die Polizei zu setzen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kritisierte scharf die Haltung des Bundesjustizministeriums, freikommende Schwerstkriminelle dürften nach ihrer Entlassung nachträglich nur freiwillig in Sicherungseinrichtungen untergebracht werden. Das "kann ja wohl nicht ernst gemeint sein", sagte der CSU-Politiker. "Ein nicht therapierbarer gefährlicher Gewaltverbrecher gehört hinter Schloss und Riegel. Die Bürgerinnen und Bürger müssen vor solchen unberechenbaren Straftätern geschützt werden", so Herrmann. "Ich bleibe dabei: Wir brauchen die nachträgliche Sicherungsunterbringung."

Bundesinnenminister Thomas de Maizière von der CDU hatte sich dafür ausgesprochen, neue Formen der Unterbringung für Straftäter einzuführen, um auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2009 zu reagieren. Das Straßburger Gericht hatte es für menschenrechtswidrig erklärt, dass die Sicherungsverwahrung, die bis 1998 nur für die Dauer von zehn Jahren verhängt werden konnte, für einige Straftäter im Nachhinein verlängert worden war. Das verstieß nach Ansicht des Gerichts gegen das so genannte Rückwirkungsverbot. Nach einem Bericht der "Financial Times Deutschland" befinden sich infolge des Straßburger Urteils bereits 16 Schwerverbrecher auf freiem Fuß, 84 weitere müssten noch in diesem Jahr entlassen werden.

Skepsis gegenüber Fußfesseln

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(Foto: picture alliance / dpa)

Dazu sagte die Justizministerin, wenn die Gerichte entschieden, dass Täter wegen des Straßburger Urteils freigelassen werden müssten, dann könne die Politik nur noch dafür sorgen, dass die Bürger so gut wie möglich geschützt würden. "Deshalb bemühe ich mich, unseren Koalitionspartner zu bewegen, endlich dem Einsatz der elektronischen Aufenthaltsüberwachung zuzustimmen", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Auch die meisten Bundesländer wollten dieses Instrument. Der Union warf sie vor, eine rasche Lösung zu blockieren.

Die GdP zeigte sich skeptisch gegenüber dem Einsatz von elektronischen Fußfesseln. In Einzelfällen könne das zwar hilfreich sein, "aber für die Überwachung von Sexualstraftätern, die rückfällig werden könnten, ist das kein geeignetes Mittel", sagte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg der "Passauer Neuen Presse". Mit der Fußfessel könne man nur feststellen, wo sich jemand aufhalte, aber nicht, was er dort mache.

"Gefahr im Verzug"

Freiberg plädierte dafür, erst einmal die technischen Voraussetzungen zu schaffen und GPS-gesteuerte Einsatzzentralen zu errichten: "Wir brauchen jetzt eine schnelle praktikable gesetzliche Regelung. In einigen Fällen ist hier Gefahr im Verzug." Der Gewerkschaftschef betonte: "Wir brauchen weiterhin eine gesicherte Unterbringung für Sicherheitsverwahrte. Wer seine Strafe abgesessen hat, aber weiterhin als gefährlich eingeschätzt wird, muss gesondert untergebracht werden."

Leutheusser-Schnarrenberger tritt für den Einsatz der elektronischen Fußfessel ein.

Leutheusser-Schnarrenberger tritt für den Einsatz der elektronischen Fußfessel ein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Freiberg warnte zudem davor, bei der Überwachung gefährlicher Sexualstraftäter zu sehr auf die Polizei zu setzen. "Die Politik sollte nicht versuchen, das Problem auf dem Rücken der Polizei zu lösen", sagte der Gewerkschaftschef. "Für die Überwachung einer Person rund um die Uhr benötigt man rund 20 Einsatzkräfte. Dafür fehlt der Polizei das Personal. Wir können in Einzelfällen helfen, aber nicht alle lückenlos überwachen."

Zügige Lösung gefordert

Nach Darstellung des parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesjustizministerium, Max Stadler, führt derzeit kein Weg an der Observierung entlassener Schwerkrimineller vorbei. "Für diejenige Personengruppe, auf die das Urteil anzuwenden ist, ist in der Tat in nächster Zeit polizeiliche Überwachung geboten", sagte der FDP-Politiker der "Saarbrücker Zeitung". Mit Blick auf den koalitionsinternen Streit über den künftigen Umgang mit Schwerkriminellen sagte Stadler: "Ich hoffe, dass wir zügig nach der Sommerpause eine Lösung finden werden." Das Gebot der Stunde sei, die Kontrolle zu verbessern.

Leutheusser-Schnarrenberger sprach sich erneut gegen die nachträgliche Sicherheitsverwahrung aus. Diese Regelung erlaubt es seit 2004, Täter aufgrund "neuer Tatsachen", die während seiner Haft auftreten, in Sicherungsverwahrung zu schicken, auch wenn diese Option bei seiner Verurteilung nicht vorgesehen war.

Die Regelung bringe "keinen zusätzlichen Sicherheitsgewinn", weil sie "wenig praxistauglich" sei und von den Gerichten immer wieder habe aufgehoben werden müssen, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Zuvor hatte sich CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe dafür ausgesprochen, an der nachträglichen Sicherungsverwahrung festzuhalten. Dieses Instrument sei "die schärfste Maßnahme, die das deutsche Strafgesetzbuch" kenne. Dabei solle es auch in Zukunft bleiben.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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