"Strategische und taktische Fehler" Kritik in FDP wird schärfer
19.06.2010, 20:56 UhrDie parteiinterne Diskussion in der FDP kommt nicht zur Ruhe, immer öfter ist auch Parteichef Westerwelle Ziel der Kritik. Die hessischen Liberalen fordern allerdings keinen Sonderparteitag. Über den Kurs der Partei soll eine Klausurtagung bestimmen.
FDP-Parteichef Guido Westerwelle sieht sich wachsender Kritik aus den eigenen Reihen an seinem Führungsstil ausgesetzt. Der hessische FDP-Landesverband warf der Parteiführung und der schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene "strategische, konzeptionelle und taktische Fehler" vor. Die Hessen-FDP wird aber keinen Sonderparteitag der Liberalen auf Bundesebene verlangen. Ein entsprechender Vorstoß des Kreisverbandes Limburg-Weilburg scheiterte auf dem Landesparteitag in Künzell bei Fulda. Die Initiative hatte indirekt auf eine Ablösung von Westerwelle abgezielt. Die Parteiführung muss allerdings auch in der beschlossenen Version des Antrags heftige Kritik einstecken.
FDP-Landtagsfraktionschef Florian Rentsch warb um Unterstützung für den Bundesvorsitzenden. "Guido Westerwelle verdient eine zweite Chance, damit er das besser machen kann, was er in den letzten neun Monaten falsch gemacht hat", sagte er.
Die hessische FDP fordert den Bundesvorstand und die Bundestagsfraktion auf, einen Vorschlag zu unterbreiten, wann und wie die liberalen Kernpunkte im Koalitionsvertrag umgesetzt werden sollen. Auch die Erfolge liberalen Regierungshandelns müssten offensiver vertreten werden. "Die hessische FDP erwartet von der Partei- und Fraktionsführung im Bund sowie den Koalitionspartnern, dass sie für ein geschlossenes Auftreten und einen angemessenen Umgang in der Öffentlichkeit sorgen", erklärte der Parteitag. Dass programmatische Profil der FDP müssten wieder deutlich erkennbar und verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden.
Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hatte zuvor dem "Hamburger Abendblatt" gesagt: "Das Problem ist, dass Guido Westerwelle im Augenblick gar nicht stattfindet". Er lehnte es aber ab, Westerwelle die Trennung vom Parteivorsitz oder vom Amt des Außenministers zu empfehlen. "Das würde man uns als Panik auslegen."
Ämter "nicht unter einen Hut"
Dem Magazin "Focus" sagte Kubicki, Westerwelle sei nicht allein für die schlechten Umfragewerte der FDP verantwortlich. So hätten sich in der Debatte um Hartz IV, als Westerwelle mit Blick auf Sozialleistungen von "spätrömischer Dekadenz" sprach, andere FDP-Politiker "in die Büsche geschlagen" und die Parteispitze nicht daran gehindert, sich so zu äußern.
Allerdings kommt aus anderen Teilen der Partei Kritik am Parteichef. "Westerwelle hat seine drei Ämter Parteivorsitzender, Minister und Vizekanzler noch nicht unter einen Hut bekommen", sagte dem "Spiegel" zufolge der Berliner FDP-Politiker Alexander Pokorny, der auch dem Bundesvorstand der Partei angehört. "Westerwelle hat sehr lange gehofft, die Union sähe in Schwarz-Gelb ihre wahre Heimat", sagte Pokorny demnach weiter. "Diese Hoffnung ist widerlegt."
Homburger verteidigt Westerwelle
Die FDP-Fraktionschefin im Bundestag, Birgit Homburger, wies die parteiinterne Kritik an der Doppelfunktion Westerwelles als FDP-Chef und Außenminister zurück. Beide Ämter seien "gut vereinbar", sagte Homburger dem "Tagesspiegel". Sie hob weiter hervor, Westerwelle werde auch in Zukunft eine "ganz zentrale Rolle" für die FDP spielen.

Kritik, aber nicht an Westerwelle: FDP-Landeschef Hahn und Ex-FDP-Chef Gerhardt auf dem hessischen Parteitag.
(Foto: dpa)
Auf dem Parteitag der Hessen-FDP wurde deutliche Kritik am Erscheinungsbild der Partei und der schwarz-gelben Koalition im Bund laut. Landeschef Jörg-Uwe Hahn beklagte Disziplinlosigkeiten in Berlin. Er forderte eine Rückkehr zu einer "ordentlichen und erfolgreichen Politik". Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse sich festlegen, ob sie sich zur Koalition bekenne. "Ich möchte, dass diese Regierung eine Chance hat", betonte Hahn. Die FDP, die zuletzt in Meinungsumfragen tief abstürzte, sei in einer ernsten Lage.
Auch der frühere FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Gerhardt beklagte schwere Fehler des schwarz-gelben Bündnisses. "Der Start der Koalition war äußerst holprig, und das ist noch zurückhaltend ausgedrückt", sagte Gerhardt. Die Delegierten forderten von der Koalition in Berlin und der eigenen Partei ein "geschlossenes Auftreten und einen angemessenen Umgang in der Öffentlichkeit".
Klausur soll Kurs bestimmen
Auf einer Klausurtagung am 27. und 28. Juni wollen Partei- und Fraktionsvorstand der FDP über die strategische Neuausrichtung der Partei diskutieren. Dabei soll es auch um neue Koalitionsoptionen gehen. Die Stimmung in der Partei ist nach den Querelen mit dem Koalitionspartner in der Steuer- und Gesundheitspolitik stark angespannt. Zudem befinden sich die Liberalen seit der Bundestagswahl in den Umfragen im Sturzflug. Laut der neuesten Sonntagsfrage käme die Partei nur noch auf fünf Prozent der Wählerstimmen.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der FDP mit Blick auf die bisherige Regierungszeit eine "achtmonatige absurde Selbstinszenierung" vor. Er wies in der "Leipziger Volkszeitung" auch darauf hin, "dass unter denjenigen, die jetzt über eine Neuausrichtung der FDP reden, der Name Westerwelle nicht dabei ist".
Quelle: ntv.de, dpa/AFP